taz köln / taz nrw, 27.11.2003, Nr. 160, S. 2
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Sobald Lothar Bisky über den Zustand seiner Partei redet, senkt er die Stimme und faltet die Hände ineinander. Der Blick sagt: Es ist ernst. „Wir treten erfolgreich auf der Stelle – seit Jahren.“ Trotzdem dürfe man die Hartnäckigkeit der PDS nicht unterschätzen, sagt Bisky bei einem Besuch der taz Köln. „Wir bleiben dabei.“ Das soll beschwörend klingen, hört sich aber eher an, als wollte sich der Parteivorsitzende damit selbst Mut machen.
Grund zum Jubeln hat die PDS in Nordrhein-Westfalen in der Tat nicht: Die Westausdehnung der Partei ist gänzlich misslungen, die Wahlergebnisse bei der letzten Bundestagswahl bewegten sich außerhalb der Großstädte am Rand der Messbarkeit, es fehlt an Mitgliedern. „Ich weiß nicht, wo die Ursachen sind“, gibt Bisky offen zu. Dabei hatte er bereits reichlich Gelegenheit, den Aufbau West der Partei voranzutreiben: Bisky war schon einmal Parteivorsitzender, von 1992 bis 2000. Nach dem Abtritt der glücklosen Gabi Zimmer an die Spitze der Partei zurückgekehrt, ist er nachdenklicher und vorsichtiger geworden. „Im Osten nicht weiter abnehmen und im Westen zulegen“ lautet daher das neue Motto. Vorrangiges Ziel ist es, 2006 wieder in den Bundestag einzuziehen.
Auf Nordrhein-Westfalen bezogen, heißt das: „Die Skepsis gegenüber der PDS abbauen, Interesse wecken, Mitglieder gewinnen.“ Deshalb will er wie im Osten auch hierzulande stärker mit Gewerkschaften, Sozialverbänden und Globalisierungskritikern zusammenarbeiten. „Junge Leute, die gegen Krieg und für Soziales sind, hätte ich sehr gerne und zahlreich in der Partei.“ Gleichzeitig musste Bisky aber mit ansehen, wie etwa Attac in Nordrhein-Westfalen in kurzer Zeit mehr als doppelt so viele Mitglieder bekam wie die PDS. Die neue Strategie erinnert denn auch stark an Graswurzelstrategie: „Die PDS wächst von unten oder sie wächst gar nicht.“
Zu einem NRW-Landesprogramm äußert sich der PDS-Chef denn auch vage: Er sehe „große Chancen, was die mediale Entwicklung anbelangt“, wolle den Strukturwandel unterstützen und „regionale Potenziale fördern“. Das ließe sich so oder ähnlich allerdings auch über die übrigen 15 Bundesländer sagen. Ob die Ex-Kommunisten bei den NRW-Landtagswahlen 2005 antreten? „Das sehe ich im Moment nicht“, sagt Lothar Bisky. „Ich möchte nicht, dass wir auf allen Hochzeiten tanzen.“ Vorbehaltlich der Entscheidung der Genossen, an Rhein und Ruhr fügt er hinzu. „Das wird nicht in Berlin gemacht.“
Für die Europawahl im Juni 2004 hofft Bisky indes auf Stimmen aus dem größten Bundesland, schließlich sei die PDS die einzige Partei, die gegen Agenda 2010 und Krieg sei. Bei den Kommunalwahlen im September nächsten Jahres setzt der Vorsitzende dagegen auf pragmatische Lokalpolitik: Es werde keine Pauschalkritik von Unternehmertum geben, meint Lothar Bisky. Statt Milliardensubventionen für Großunternehmen müssten ortsansässige kleine und mittlere Firmen unterstützt werden. „Man muss den Mittelstand fördern, damit Arbeitsplätze entstehen“, sagt der demokratische Sozialist entschlossen. Und sage keiner, die PDS hätte nicht aus der Vergangenheit gelernt: „Die Enteignung des Mittelstandes war vielleicht einer der entscheidenden Fehler Honeckers.“
Autor: Christoph Scheuermann / Dirk Eckert