Köln Soziale Bewegungen taz köln
Nach 12 Jahren hat die in Köln erscheinende antirassistische Zeitung Morgengrauen ihr Erscheinen eingestellt. Zu wenig Geld, zu wenig Resonanz – „Zeit aufzuhören“, resümiert die Redaktion jetzt kurz und knapp.
Enstanden ist die Zeitung nach den Angriffen auf ein Ausländerwohnheim in Hoyerswerda 1991 Rund 60 Interessierte trafen sich damals in der Alten Feuerwache, um das Projekt einer antirassistischen Zeitung anzugehen. Bald konnte die Zeitung mit einer Auflage von 10.000 Exemplaren starten. Initiativen aus dem gesamten Bundesgebiet bestellten ganze Pakete, um sie vor Ort zu verteilen und so dem grassierenden Rassismus entgegenzutreten. Finanziert wurde das Blatt durch Abos, Stiftungsgelder und gelegentliche Spendenkampagnen.
Als Zeitungsname wurde „Morgengrauen“ gewählt: Im Morgengrauen kommt die Polizei, um Flüchtlinge abzuschieben, Nazis greifen im Morgengrauen Unterkünfte von Migranten an. „Morgengrauen“ stand aber auch „für die Hoffnung auf den Beginn eines neuen Tages, einer besseren Zeit mit offenen Grenzen in einer nicht-rassistischen Gesellschaft“, wie die Redaktion in Nummer 97, der letzten Ausgabe der Zeitung, schreibt.
Die Morgengrauen sollte kein Theorieorgan sein, sondern eine „Zeitung, die auf der Straße verteilt werden kann“, sagt Angelika Prömm, eine der Gründerinnen der Zeitung. Aktivisten sollte das Blatt aber auch Anregung für Diskussionen liefern – eigentlich eine „Gratwanderung“, die gerade in den ersten Jahren recht gut gelungen sei, sagt Prömm. Tatsächlich waren die Redakteure sehr produktiv: Elf Mal im Jahr schrieben sie über Ausländergesetze, Asylrecht, Antisemitismus. Allein in den ersten fünf Jahren erschienen 60 der insgesamt 97 Ausgaben.
Doch über die Jahre schrumpfte die Auflage. Zuletzt wurden nur noch 2.500 Exemplare gedruckt, die Zeitung erschien lediglich alle zwei Monate. Die Finanzprobleme wurden größer, und das Konzept Straßenzeitung klappte nicht mehr. „Damals wollten die Leute Zeitungen verteilen, heute nicht mehr“, sagt Prömm.
Als Absage an antirassistische Arbeit will die Redaktion das Ende der Morgengrauen aber nicht verstanden wissen. Nur weil es zur Zeit keine Anschläge wie in Hoyerswerda, Rostock, Mölln oder Solingen – die „barbarischen Auswüchse von Hass und Rassismus“ – gebe, heiße das nicht, dass Rassismus in der deutschen Gesellschaft ausgestorben sei. Der staatliche Rassismus zum Beispiel treffe nur deshalb weniger Flüchtlinge, weil durch die Verschärfung des Asylrechts weniger Flüchtlinge nach Deutschland gelangten.
Angesichts wirtschaftlicher Krise und Sozialabbau seien zudem „neue rassistische Exzesse“ zu befürchten. Das ernüchternde Fazit der Blattmacher nach 12 Jahren: „Mancher Artikel aus den letzten Jahren könnte genauso heute wieder erscheinen – es würde nicht auffallen, dass es ein alter ist.“
http://www.morgengrauen.org
Autor: Dirk Eckert