16 Prozent mehr, klagt NRW

Der Landespetitionssausschuss legt seinen Halbjahresbericht vor. Die Eingaben stiegen gegenüber dem Vorjahr auf 2.360. Dabei geht es vor allem um Ausländerrecht und Abschiebepraxis

taz köln / taz nrw, 04.07.2002, Nr. 105, S. 2

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Immer mehr Bürgerinnen und Bürger machen von Artikel 17 des Grundgesetzes Gebrauch und wenden sich an den Petitionsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtages, den „Kummerkasten“ des Parlaments. 2.360 Eingaben zählte der Ausschuss im ersten Halbjahr 2002, wie Ausschussvorsitzende Barbara Wischermann (CDU) in ihrem Halbjahresbericht bekannt gab. Das sind 16 Prozent mehr als im Vorjahr.

Insgesamt sei der „Ausländerbereich“ der zahlenmäßig größte. Aus dem Bericht der CDU-Abgeordneten geht hervor, dass in Nordrhein-Westfalen sogar bestens integrierte AusländerInnen abgeschoben werden: „In manchen Fällen erscheint es aus humanitärer Sicht bedauerlich, wenn Ausländer kein Aufenthaltsrecht erhalten, obwohl sie seit längerer Zeit in Deutschland leben, die deutsche Sprache sprechen, in Lohn und Brot stehen und vor Ort integriert sind.“

Drohen Abschiebungen, sind es oft Mitglieder von Initiativen, Kirchen oder Gewerkschaften, die eine Eingabe beim Petitionsausschuss machen. Ein besonderer Fall sind Flüchtlingsfamilien, die ausgewiesen werden sollen. Als letzten Ausweg, der Abschiebung zu entgehen oder diese zumindest aufzuschieben, stellen die Eltern oft Asylanträge für ihre Kinder. Aussicht auf Erfolg haben solche Anträge in der Regel nicht.

Die Ausländerbehörden reagieren auf solche Anträge unterschiedlich. In vielen Fällen können beide Elternteile für die Dauer des Asylverfahrens in der Bundesrepublik bleiben. Manchmal wird auch ein Elternteil abgeschoben. Schließlich gibt es noch die Praxis, die Eltern abzuschieben und das Kind in einem Heim unterzubringen. Das Verwaltungsgericht Münster hat dieses Verfahren, bei dem die Eltern vor die Wahl gestellt werden, ihr Kind mitzunehmen oder in die Obhut des Jugendamtes zu geben, für rechtens erklärt.

Das sieht der Petitionsausschuss anders: Allein schon, dass „die Möglichkeit einer Trennung der Familie in Betracht“ gezogen werde, nennt Wischermann „aus einem menschlichen Blickwinkel nicht unproblematisch“. Eine diplomatische Kritik an der Münsteraner Praxis. Für besser hält sie das Verfahren, „ein Elternteil bei dem Kind zu lassen“, also das andere abzuschieben.„Das eigentliche Problem liegt jedoch darin, dass kurz vor der Abschiebung erfolglose Asylanträge für Kleinkinder gestellt werden können“ so Wischermann. Von Innenminister Fritz Behrens (SPD) fordert sie deshalb, in diesem Fall für eine landeseinheitliche Praxis zu sorgen. An Behrens liegt es jetzt, per Erlass die Trennung von Eltern und Kindern zu beenden.


Autor: DIRK ECKERT