junge Welt, 04.07.2002, S. 6
Bildung, Hochschule Nordrhein-Westfalen junge Welt
Das Düsseldorfer Kabinett hat am Dienstag abend die Einführung von Studiengebühren beschlossen. Für eine »Übergangsphase« will die nordrhein-westfälische Landesregierung Langzeit-, Senior- und Zweitstudierende mit 650 Euro pro Semester zur Kasse bitten. Die Gebühren werden ab dem Sommersemster 2003 fällig. Vom Tisch sind allgemeine Verwaltungs- und Einschreibegebühren von 50 Euro pro Semester.
»Wer die Grenze, die persönlich und international richtig ist, überschreitet, kann nicht umsonst studieren«, begründete Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) den Beschluß nach der Kabinettssitzung. Als Langzeitstudent gilt demnach, wer die Regelstudienzeit um mindestens vier Semester überschritten hat. Liegt diese bei unter acht Semestern, werden Gebühren bereits drei Semester danach fällig. Studierende, die älter als 60 sind, müssen bezahlen, wenn sie einen Abschluß anstreben. Gasthörer sind dagegen von den Gebühren ausgenommen. Auch ein Zweitstudium kostet in Zukunft Geld, es sei denn, es handelt sich um entsprechend der Berufsordnung vorgeschriebene Zweitstudiengänge, ein Erweiterungsstudium beim Lehramt oder ein Promotionsstudium.
Die Landesregierung rechnet mit Einnahmen von 104 Millionen Euro. Die Gebühren werden nicht wie ursprünglich geplant zur Sanierung des Landeshaushaltes verwendet, sondern in den Bildungshaushalt des Landes fließen. Neben einer Erhöhung der Zuwendungen an die Unis im nächsten Haushaltsjahr sollen auch 1229 neue Lehrerstellen geschaffen werden. Der Sprachunterricht im Kindergarten wird mit fünf Millionen Euro zusätzlich gefördert.
Die Studierenden in NRW protestieren weiter gegen die Gebühren, auch wenn die Streiks an den Hochschulen längst vorbei sind. So wurde am Dienstag abend eine Wahlkampfveranstaltung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) in Köln von Studierenden gestört. Nach Angaben von Tobias Schanz, für die Jusos im AStA der Universität Köln, wurden dabei Studierende, die selbst SPD-Mitglieder sind, von der Polizei abgeführt. Klemens Himpele (Jusos), Bildungspolitikreferent des AStA, kommentierte: »Ein demokratischer Diskurs ist in dieser Partei nicht mehr möglich.« Er werde jedenfalls »im Wahlkampf keinen Finger für die SPD krumm machen«.
Einen »Skandal« nannte Markus Struben vom Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) in einer ersten Stellungnahme den Beschluß der Landesregierung. Wahlkampfversprechen würden mit Füßen getreten. »Die verfehlte Steuerpolitik von SPD und Grünen müssen sozial Schwache ausbaden, BAföG-Empfänger sowie Menschen aus sozial schwachen Familien, die den höchsten Anteil der sogenannten Langzeitstudierenden stellen«. Er schätzt, daß über 150000 Studierende von den Gebühren betroffen sind.
Autor: Dirk Eckert