Jobbende Studis gern gesehen

Schnelle Auffassungsgabe, elektronische Kenntnisse und leichte Verfügbarkeit sind ihre Vorteile. Für viele Studierende aber ist die Arbeit ein Muss - und hält vom Studium ab

taz köln / taz nrw, 27.06.2002, Nr. 104, S. 2

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Seit drei Jahren macht Julia Trompeter, Philosophiestudentin an der Universität Köln, schon Fachschaftsarbeit. Dort organisiert sie Erstsemesterbetreuung, vertritt die Studierenden gegenüber dem Seminar – und kriegt für dieses soziale Engagement kaum einen Cent. Da sie vom mageren BAföG nicht leben kann, jobbt sie noch acht Stunden die Woche in der Bibliothek. „Das alles verschlingt einen Großteil meiner Zeit“, sagt sie.

So wie Julia geht es vielen Studierenden. Ihr Anteil ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, von 16,5 Prozent 1995 auf 31 Prozent im Jahr 2000, wie jetzt das Institut für Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen herausgefunden hat. Demnach greifen Arbeitgeber gerne auf Studierende als Hilfskräfte zurück, da diese nützliche Kenntnisse mitbringen und auch abends oder am Wochenende arbeiten. Der Einzelhandel etwa stelle gerne Studierende ein, weil sie eine schnelle Auffassungsgabe haben und mit elektronischen Kassen leichter zurechtkommen.

Oft profitieren auch die Studierenden. Julia etwa genießt den guten Zugang zu Büchern, sammelt Erfahrungen bei Verhandlungen mit der Univerwaltung. „Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Erwerbstätigkeit von Studenten erfolgt im universitären und sonstigen Wissenschaftsbereich selbst“, hat das IAT herausgefunden.

Viele arbeiteten im Gesundheits- und Sozialwesen und unternehmensnahen Dienstleistungen. Auch das deutet nach Ansicht des Forschungsinstituts darauf hin, dass ein beträchtlicher Teil bereits neben dem Studium „fachbezogen“ arbeitet. Damit sammelten sie schon früh praktische Erfahrungen in ihrem zukünftigen Berufsfeld.

Doch nicht immer bringt der Nebenjob auch was für Studium und späteren Beruf. Das IAT sieht in der steigenden Erwerbsorientierung trotzdem eine Chance, Lernen und Arbeiten, Theorie und Praxis zu verknüpfen, da Studierende „immer weniger fest vorgezeichneten Bildungswegen“ folgten. Dieser Trend müsse auch „politisch flankiert“ werden.

In Nordrhein-Westfalen passiert gerade das Gegenteil. Was Julia macht, wenn sie ihr Studium nicht innerhalb der Regelstudienzeit plus vier Semestern schafft und dann 650 Euro Studiengebühren bezahlen muss, weiß sie noch nicht. „Die Fachschaftsarbeit müsste ich wohl aufgeben, mir einen Job suchen.“ Dass ihre Arbeit in der studentischen Selbstverwaltung möglicherweise mit zwei Semestern angerechnet wird, beruhigt sie nicht. Dafür hat sie schon viel länger gearbeit.


Autor: DIRK ECKERT