taz köln, 20.12.2003, S. 4
Nordrhein-Westfalen Soziale Bewegungen Wirtschaft taz köln
10 Millionen Dollar Barwertvorteil – das verspricht sich Sankt Augustin von einem Cross-Border-Leasing-Geschäft, bei dem Kläranlage und Abwassernetz der Stadt für 99 Jahre an einen US-Investor verleast werden sollen. Das kleine Städtchen östlich von Bonn kann das Geld gut gebrauchen: Im städtischen Haushalt klafft ein Loch von 5 Millionen Euro.
Dass in den USA ein Gesetzentwurf vorliegt, mit dem Cross-Border-Leasing (CBL) untersagt werden soll, weil es nach Ansicht amerikanischer Kritiker nichts anderes als Steuerhinterziehung zu Lasten amerikanischer Steuerzahler darstellt, stört Stadtverwaltung und regierende CDU in Sankt Augustin nicht – anders als in Köln, wo die geplanten Leasing-Geschäfte zunächst einmal auf Eis gelegt wurden (taz berichtete).
“Wir überantworten das Steuerrechtsänderungsrisiko dem Investor”, erklärt Hans-Ulrich Lehmacher, Erster Beigeordneter der Stadt, den Trick. “Wenn der das unterschreibt, ist das sein Risiko.” Lehmacher, der erst kürzlich in Sachen CBL auf Dienstreise in New York war, fürchtet ohnehin nicht um die Zukunft der CBL-Geschäfte. “Die Gesetzesinitiative wird in den USA nicht ganz ernst genommen”, so seine Einschätzung. Erst diese Woche seien neue CBL-Geschäfte abgeschlossen worden, sagt er.
Bürger protestieren
Grund genug für die in der Sankt Augustiner Initiative “Nein zu Cross-Border-Leasing”, weiter gegen die Geschäfte mit Kläranlage und Kanälen anzugehen. “Rechtsgeschäfte, die sich in rechtlichen Grauzonen bewegen, aber über eine Laufzeit von 99 Jahren das Eigentum der BürgerInnen und die öffentliche Daseinsvorsorge zum Gegenstand haben, sind im Zweifel gefährlicher Leichtsinn”, sagt die Initiative.
Per Bürgerbegehren wollen sie das Geschäft zu Fall bringen – ähnlich wie in Bergisch Gladbach. Dort hatten im September die Bürgerinnen und Bürger ein Cross-Border-Leasing mit einer überwältigenden Mehrheit von 96,5 Prozent der abgegebenen Stimmen zu Fall gebracht und der regierenden CDU eine herbe Niederlage zugefügt.
In Sankt Augustin muss die Bürgerinitiative bis zum 15. Januar 2900 Unterschriften für das Bürgerbegehren zusammen haben. Gelingt das, muss sich der Rat damit befassen. Lehnt dieser das Bürgerbegehren ab, kommt es zu einem Bürgerentscheid.
Nach Angaben der Initiative kamen allein innerhalb der ersten zwei bis drei Tage über 1000 Unterschriften zusammen, inzwischen sind es 4500. Am 22. Dezember sollen die Unterschriften der Stadt übergeben werden.
Geheime Abstimmung
Zu den entschiedenen Gegnern des Leasing-Geschäfts gehören in Sankt Augustin auch Grüne und SPD. Bei der entscheidenden Abstimmung im Rat am 15. Oktober verlangten sie namentliche statt geheime Abstimmung, damit nachvollziehbar ist, wer für das Geschäft verantwortlich ist. Das wurde abgelehnt. Daraufhin nahmen die beiden Parteien gar nicht erst an der Abstimmung teil, um später nicht haftbar gemacht werden zu können.
Die CDU versucht jetzt, das Bürgerbegehren als parteipolitische Initiative der im Rat unterlegenen Parteien niederzumachen. “Dagegen zu sein ist das gute Recht der Opposition”, so die Vorsitzende der CDU Sankt Augustins, Birgit Lüders. “Fragwürdig wird das Verhalten der Opposition jedoch, wenn – ganz im Sinne schlechter Verlierer – aus den Parteien Fußtruppen losgeschickt werden, die einen Bürgerentscheid gegen den Ratsbeschluss erwirken sollen.”
Lehmacher wie auch Bürgermeister Klaus Schumacher (CDU) halten das Bürgerbegehren in dieser Form ohnehin für unzulässig. Zum Beispiel fehle die Gegenfinanzierung, moniert Lehmacher. Letztlich aber habe der Rat darüber zu entscheiden, räumt er ein.
Das wiederum findet auch der grüne Fraktionsvorsitzende Wolfgang Köhler, der von einem “Akt der Anmaßung” spricht. “Dem Bürgermeister kommt überhaupt nicht die Aufgabe zu, ein Bürgerbegehren für zulässig oder unzulässig zu erklären.”
Initiative gegen CBL in Sankt Augustin: http://www.nein-zu-cross-border.de
Autor: Dirk Eckert