junge Welt, 12.05.2003,
Soziale Bewegungen Wirtschaft junge Welt
Um das Dienstleistungsabkommen GATS (General Agreement on Trade in Services) und seine Auswirkungen für Frauen ging es am Wochenende auf dem ATTAC-Kongreß „Das GATS und die Frauen“ in Köln. Rund 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren in die Domstadt gekommen, um sich über den Stand der Privatisierungen wie der GATS-Verhandlungen auszutauschen. Mit Referentinnen unter anderem aus Bangladesch, Großbritannien, Kanada, Österreich, Rußland, der Ukraine und Indien – von dort kam Vandana Shiva, Trägerin des Alternativen Nobelpreises – war das Treffen hochkarätig besetzt.
Deutlich wurde in Köln, wie unterschiedlich die Proteste gegen das Dienstleistungsabkommen in verschiedenen Ländern ausgeprägt sind. Während sich in Kanada und Österreich bereits Gemeinden zu „GATS-freien Zonen“ erklärt haben, ist das WTO-Abkommen in anderen Ländern wie etwa Serbien/Montenegro noch so gut wie kein Thema, wenngleich das Land gerade auf den Freihandel vorbereitet wird und staatliche Unternehmen in großem Stil privatisiert werden. Die Folgen sind heute schon spürbar, wie Mirjana Dokmanovic vom „Women’s Center for Democracy and Human Rights“ aus Serbien/Montenegro berichtete. Viele der sozialen Sicherungen des ehemals sozialistischen Systems – etwa Mutterschaftsurlaub oder Kündigungsschutz – würden abgebaut oder eingeschränkt, was insbesondere Frauen treffe.
In Großbritannien wiederum wurden hinlängliche und vor allem schlechte Erfahrungen mit der Privatisierung des Gesundheitswesens gemacht. Referentinnen vom „Reading International Solidarity Centre“ räumten anhand von Beispielen mit dem Mythos auf, daß per Privatisierung der Service besser werde. Die deutschen Kongreßteilnehmer beschäftigte auch die unter dem Namen Cross-Border-Leasing bekannte Praxis, bei der städtische Unternehmen an Investoren verkauft und anschließend zurückgemietet werden, um die klammen Kassen der Kommunen kurzfristig aufzubessern.
Die Soziologin Christa Wichterich attackierte die Grundidee des GATS, Dienstleistungen als Waren anzusehen, und traf damit die Stimmung der Zuhörerinnen. „Die Daseinsvorsorge läßt sich nicht in einen Supermarkt zerlegen“, kritisierte sie. Die Folgen – vor allem für die Frauen – seien sinkende Löhne, unsichere Teilzeitarbeit, Abbau von Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz, die gerade in den Kommunen noch am ehesten zu finden seien. Wenn die Daseinsvorsorge nicht mehr für alle erschwinglich sei, sind es nach ihrer Darstellung meistens Frauen, die in den Familien etwa die fehlende Pflege kostenlos übernehmen würden.
Abschließend diskutierten die Teilnehmerinnen mögliche Perspektiven. „GATS-freie Zonen“ wie in Österreich wurden allgemein begrüßt, viele Teilnehmerinnen wollen solche Zonen jetzt auch in ihren Kommunen anregen. Eine Unterschriftenkampagne „Not in our name“ soll folgen. Zu den weiteren Ideen gehörten die Ausrichtung regionaler Sozialforen nach dem Vorbild von Porto Alegre sowie die Planung von globalen Frauenstreiks. Der Vorschlag der kanadischen Aktivistin Theresia Wolfwood, US-Firmen zu boykottieren, stieß dagegen auf wenig Resonanz. Ohne großes Aufsehen wurde der Vorschlag weiterentwickelt, Konzerne generell zu boykottieren und „fair“ gehandelte Produkte zu fördern.
Autor: Dirk Eckert