junge Welt, 24.04.2003,
Internationale Politik USA Interview junge Welt
*Haitham Altaan, 1961 in Mosul geboren, ist Maschinenbauingenieur und lebt seit sechs Jahren in Deutschland. Er ist in Köln in der »Irakischen Friedensinitiative gegen Krieg und Diktatur« aktiv und saß unter Saddam Hussein drei Jahre lang im Gefängnis
F: Saddam Hussein und sein Regime sind gestürzt. Wie war Ihre Reaktion, als Sie davon erfahren haben?
Ich bin froh, daß der Diktator weg ist. Aber ich habe immer noch keinen Kontakt zu meinen Verwandten in Bagdad. In der ersten Kriegswoche fiel eine Bombe auf den Stadtteil Shaab. Dort wohnen meine Schwester und meine Schwiegermutter. Wir wissen nicht, wie es ihnen jetzt geht.
F: Welche Perspektiven sehen Sie für den Irak?
Die USA sind den Irakern im Moment willkommen. Wenn sie Demokratie aufbauen, unser Land neu aufzubauen � o.k.! Aber sie dürfen nicht länger bleiben als ein oder zwei Jahre.
F: Immerhin waren es die USA und ihre Verbündeten, die Saddam Hussein gestürzt haben. Warum das Mißtrauen?
Als Iraker weiß ich, was im Irak passiert ist, seit der Diktator an der Macht ist. Die USA haben viel gegen das irakische Volk gemacht, aber nichts gegen den Diktator. Etwa das Embargo. Ich glaube nicht, daß die Amerikaner gekommen sind, um uns zu befreien. Es geht ihnen um eine neue Weltordnung. Irak ist der zweite Schritt nach Afghanistan. Und es geht um das Öl. Irak hat die zweitgrößten Ölreserven der Welt. Außerdem gab es schon vorher viele Gelegenheiten, die Iraker von dem Diktator zu befreien. Zum Beispiel 1991 den großen Aufstand im Irak. Es heißt immer, das war ein schiitischer oder kurdischer Aufstand, aber es war ein irakischer Aufstand. Doch die USA erlaubten dem Diktator, Hubschrauber und seine Truppen einzusetzen.
F: Das war 1991. Was wäre heute die Alternative gewesen?
Wir haben immer gesagt: Hebt das Embargo auf, isoliert das Saddam-Regime, unterstützt die irakische Opposition.
F: Die irakische Opposition hat zumindest in Teilen den Krieg unterstützt.
Im Irak gibt es verschiedene Oppositionsparteien, etwa die 1934 gegründete Irakische Kommunistische Partei oder eine islamische Partei, 1958 gegründet, oder die kurdischen Parteien. Diese Parteien sind alle aktiv im Irak, das ist die richtige Opposition. Doch die bekamen keine Unterstützung. Statt dessen haben die USA ab 1992 den bis dahin unbekannten Ahmed Chalabi, der ihre Interessen vertritt, als Oppositionsführer aufgebaut.
F: Wofür oder wogegen müßte die Friedensbewegung jetzt auf die Straße gehen?
Gegen die Besetzung des Irak. Die USA sagen, der Aufbau des Irak sei ihre Sache. Aber auch die UNO will ihn kontrollieren, und Frankreich will die Kontrolle der Europäischen Union geben. Aber niemand redet davon, die Kontrolle dem irakischen Volkes zu überlassen. Im Moment sind amerikanische Truppen im Irak in Ordnung. Das irakische Volk braucht Wahlen, Parteien, eine freie Presse. Doch dann sollten die USA wieder abziehen. Wir müssen unser Land so schnell wie möglich selbst regieren.
Autor: Dirk Eckert