Reagan sagt nein

Amerikanische Umtriebe: Das FBI und die Studentenunruhen an der Universität Berkeley (3 und Schluß)

junge Welt, 04.10.2002,

junge Welt

Am 4. Januar 1966 gab Ronald Reagan seine Kandidatur für den Posten des Gouverneurs von Kalifornien bekannt. Der Republikaner war zu Beginn seiner Hollywood-Karriere ein Liberaler, doch das änderte sich über die Jahre. In der McCarthy-Ära beteiligte er sich an der Suche nach vermeintlichen Kommunisten. Ende der 50er kam seine Film-Karriere ins Stocken, wofür er die Liberalen in Hollywood verantwortlich machte, die sich seiner Meinung nach an ihm rächen wollten.

An der ehemaligen konservativen Vorzeige-Universität Berkeley machten sich zur gleichen Zeit die Hippies breit. Die Studierenden hatten 1964 mit Sit-ins und Demonstrationen gegen die Universitätsleitung das Recht auf freie Meinungsäußerung und damit politische Betätigung auf dem Campus durchgesetzt. Der Krieg in Vietnam dynamisierte die Proteste. Wie zum Beweis kam am 6. Mai ein neuer Report des kalifornischen Komitees für Unamerikanische Umtriebe von Senator Hugh M. Burns. Er beschuldigte den Uni-Präsidenten Clark Kerr, mit seiner laxen Haltung die alterwürdige Universität Berkeley in einen Zufluchtsort für Protestierer und sexuell Abnorme verwandelt zu haben. Kerr wehrte sich und beschuldigte seinerseits das Burns-Komitee, in dem Report wimmele es von »Verzerrungen, Halbwahrheiten sowie Aussagen und Situationen, die aus dem Kontext gerissen sind«. Am 8. November gewann Reagan die Wahl gegen den bisherigen Gouverneur Edmund G. »Pat« Brown, und vom FBI kamen Glückwunschschreiben. FBI-Chef Hoover sah die Chance gekommen, mit den Studenten fertigzuwerden. »Das verschafft dem FBI die Gelegenheit, die immer mehr zunehmende Agitation subversiver Elemente auf dem Campus zu vereiteln«, notierte der FBI-Chef in einem Memo.

Das einzige, was jetzt Reagans Politikerlaufbahn früh hätte beenden können, war die Routineüberprüfung durch das FBI, die Reagan durchmachen mußte, da er als Gouverneur Zugang zum Atom-Forschungslabor von Berkeley haben würde. In einem Fragebogen, den die zu überprüfende Person ausfüllen mußte, wurde auch nach der Zugehörigkeit zu verbotenen, kommunistischen oder faschistischen Gruppen sowie Gruppen, die unter die Executive Order 10450 fielen, gefragt. Reagan verneinte beides. Das FBI akzeptierte die Antworten, obwohl die Beamten nur die eigenen Akten hätten durchsehen müssen, um zu sehen, daß Reagan gelogen hatte: 1946 war er Sponsor und Direktor eines Komitees für eine demokratische Nahost-Politik, das unter die Executive Order fiel und als subversiv eingestuft wurde. Im selben Jahr war Reagan auch Mitglied beim American Veterans Committee. Das Vorgängerkomitee von Senator Burns beschrieb dieses als »kommunistisch dominiert«.

Das FBI unterschlug diese Informationen, und so wurde Reagan am 5. Januar 1967 als Gouverneur von Kalifornien vereidigt. Schon bei seiner Amtseinführungsrede drohte Reagan den Studierenden, sich von nun an an die Regeln zu halten oder zu verschwinden. Sofort ließ sich Reagan vom FBI mit Informationen über die Lage in Berkeley und die Verwaltungsratsmitglieder versorgen. Dann ersetzte er die drei treuesten Anhänger vom Kerr im Verwaltungsrat von Berkeley durch ihm genehme Leute, und Kerr wurde rasch abgesetzt. Doch damit waren die Studentenproteste nicht zu Ende. Im Gegenteil, mit dem Vietnam-Krieg nahmen sie zu. Im Mai 1969 verhängte Reagan in Berkeley das Kriegsrecht, setzte Hubschrauber mit Tränengas ein und leitete eine Geheimdienstoperation gegen die Studierenden ein.

Aufgeflogen sind die Machenschaften des FBI erst nach einem jahrelangen Rechtsstreit. Seth Rosenfeld, damals Student in Berkeley, hatte 1981 im Rahmen des Freedom of Information Act (FOIA) die Veröffentlichung der Akten verlangte. Obwohl dazu verpflichtet, weigerte sich das FBI so lange, bis das höchste Gericht der USA, der Supreme Court, Rosenfeld recht gab. Als dieser, inzwischen Reporter beim San Francisco Chronicle, die Akten aus den Jahren 1940 bis 1970 einsehen konnte, bekam er über 200000 Seiten Papier zu Gesicht. Das FBI hat es auf Nachfrage des San Francisco Chronicle abgelehnt, die Akten zu kommentieren. »Die Akten sprechen für sich selbst«, sagte ein FBI-Sprecher gegenüber Rosenfeld. Der an Alzheimer erkrankte Reagan kann keine Auskunft mehr geben, sein Büro lehnte jede Stellungnahme ab. FBI-Chef J. Edgar Hoover starb 1972 im Alter von 77 nach sage und schreibe 48 Jahren an der Spitze der Behörde. Ein Jahr hatte zuvor hatte er noch in einem internen Memo seine Besorgnis über den kurz zuvor in Kraft getretenen Freedom of Information Act zu Ausdruck gebracht und gewarnt, daß dann irgendwann die Akten des FBI »jedem Verrückten, Schakal und Koyoten« offenstünden.


Autor: Dirk Eckert