Mit oder ohne

Amerikanische Umtriebe: Das FBI und die Studentenunruhen an der Universität Berkeley (2)

junge Welt, 02.10.2002,

junge Welt

Die Studentenproteste der 60er hatten im kalifornischen Berkeley mit Demonstrationen gegen die Kommunistenhatz der 50er begonnen. Nach den Auseinandersetzungen um die Meinungsfreiheit auf dem Campus ab 1964 organisierte das Vietnam Day Committee (VDC) von der Universität aus große Demonstrationen gegen den Krieg in Vietnam. Von Anfang an dabei war auch das FBI, das die Studierenden bei ihren Sit-ins und Joan-Baez-Konzerten beobachtete.

Mit dem gesammelten, vertraulichen Material machte das FBI Politik und gab es an Unbefugte weiter. So versorgte es etwa den Pulitzer-Preisträger und Journalisten beim San Francisco Examiner, Ed Montgomery, mit Material. Montgomery schrieb die FBI-Dossiers zu einer Serie um, damit die Leser im November 1964 erfahren konnten, daß die studentische Free Speech Movement an der Universität Berkeley eine »marxistisch dominierte« Verschwörung sei.

Was war geschehen, daß die von McCarthy verfolgten Kommunisten an der Universität Berkeley angeblich Fuß fassen konnten? Als die Studierenden im Herbst 1964 aus den Sommerferien kamen, mußten sie feststellen, daß politische Aktivitäten auf dem Campus untersagt waren. Am 1. Oktober 1964 verhaftete die Polizei einen Studenten, der Spenden für eine Bürgerrechtsgruppe sammelte. Jetzt begann der Protest mit einem spontanen Sit-in und »Let him go – Laßt ihn gehen«-Rufen. Das FBI war vor Ort, die Agenten machten Fotos und notierten Namen. Universitätspräsident Clark Kerr fürchtete einen Gewaltausbruch und hob nach Verhandlungen das Verbot politischer Betätigung auf. Dafür beendeten die Studierenden ihre illegalen Proteste. Doch jetzt ging es erst richtig los. Die Studierenden gründeten die Free Speech Movement (FSM), die in der nächsten Zeit die früher so friedliche Universität mit Sit-ins und Streik erschüttern sollte. Die Zeiten, wo Studierende vor allem für ihre Karriere arbeiteten, waren vorbei, die wilden 60er hatten begonnen.

Am 2. Dezember 1964 kam es zu einer weiteren großen Versammlung an der Universität, und die Folk-Sängerin Joan Baez hatte mit dem Song »We shall overcome« einen umjubelten Auftritt. Um drei Uhr morgens rückte schließlich Polizei an, die rund 800 Protestierende in zwölf Stunden Arbeit aus der Universität wegtrug. Das löste noch größere Proteste aus, die über mehrere Tage anhielten. Schließlich stimmte der Verwaltungsrat am 18. Dezember der Hauptforderung der FSM nach dem Recht auf politische Betätigung auf dem Campus zu. Als Begründung wurde angegeben, daß die Regeln an der Universität den Entscheidungen des Supreme Court, des Obersten Gerichts der Vereinigten Staaten, über das Recht auf freie Meinungsäußerung folgen sollten.

Die Warnung vor dem Einfluß der Kommunisten war selbstredend unbegründet, wie aus einem internen Memo von Curtis Lynum vom FBI San Francisco, datiert vom 8. Januar 1965, an FBI-Chef J. Edgar Hoover hervorgeht. Sicher wären einige Kommunisten und Sozialisten dabei, hieß es, aber »die Demonstrationen hätten mit der oder ohne die Teilnahme von subversiven Elementen stattgefunden, da diese Unzufriedenheit so tief saß«. Am 19. Januar schob Lynum noch die Erkenntnis nach, daß die Ermittlungen des FBI keinen Hinweis darauf ergeben hätten, daß die Kommunistische Partei direkt an den Demonstrationen beteiligt war. Doch solche Einschätzungen blieben intern.

Für Universitätspräsident Kerr sollten die Vorfälle – die Frage aus dem Bewerbungstest 1959, welche Gefahren für die Demokratie von einer Polizeiorganisation wie dem im Geheimen arbeitenden FBI ausgingen, die Teilnahme von Studenten an den Protesten vor dem Rathaus 1960, die Sit-ins und die FSM – das Ende seiner Karriere bedeuten. Das FBI betrieb jetzt offensiv seine Ablösung. Als Präsident Lyndon B. Johnson Kerr im Dezember 1964 zum Gesundheitsminister machen wollte, nutzte Hoover diese Gelegenheit, um den ahnungslosen Kerr zu demontieren. In dem FBI-Bericht über Kerr, den Johnson am 31. Dezember 1964 von Hoover bekam, fanden sich eine Reihe von Anschuldigungen. Das FBI hatte sie überprüft und für nicht haltbar befunden, doch das verschwieg Hoover dem Präsidenten. So wurde behauptet, daß Kerr »pro-kommunistisch« eingestellt sei. Ein gewisser Louis Hicks, der diese Behauptung 1953 angeblich in die Welt gesetzt hatte, dementierte diese später auf Nachfrage des FBI: er bestritt, sie überhaupt geäußert zu haben. In einem dem Report beigefügten Brief waren noch mehr solcher Anschuldigungen aufgelistet. Alle waren sie zu dünn, um in den Report selbst aufgenommen zu werden. Inhaltlich ging es auch hier darum, Kerr zum Kommunisten zu machen oder ihn zumindest in die Nähe der Kommunisten zu rücken. Im Amerika der 60er war das ein politisches Todesurteil. Johnson zog sein Angebot an Kerr zurück.

Doch damit nicht genug: Hoover beriet sich mit dem damaligen CIA-Direktor John McCone, den er am 28. Januar 1965 traf. Diese Zusammenkunft war brisant, schließlich durfte sich die CIA nicht in innerstaatliche Angelegenheiten einmischen. Die beiden entwickelten einen geheimen Plan. CIA-Chef McCone hatte einen alten Freund, der im Verwaltungsrat von Berkeley saß: Edwin Pauley, ein Öl-Multimillionär und damit auch großer Sponsor der Universität, war ein scharfer Kritiker von Kerr und besorgt, daß die Linken in Berkeley zu stark werden könnten. Pauly wollte Kerr unbedingt abservieren, konnte aber im Verwaltungsrat nicht sofort die dafür nötige Mehrheit finden. Hoover sagte McCone zu, Pauly mit vertraulichen FBI-Informationen über Kerr zu versorgen. Außerdem bekam Pauly 19 Memos mit vertraulichen Informationen über Studenten und Mitglieder der Fakultät vom FBI gesteckt. Doch der Erfolg blieb aus. Im Herbst des Jahres war Pauly immer noch »zwei Stimmen davon entfernt, Kerr zu entlassen«. Das FBI kam zu der Überzeugung, daß das eigentliche Problem der Gouverneur von Kalifornien, Edmund G. »Pat« Brown, war, der unbedingt an Kerr festhalten wollte. Im Jahr 1966 standen Wahlen an. Ein Konservativer mußte her und Brown schlagen. Ein Job wie erfunden für Ronald Reagan, den Hollywood-Schauspieler.


Autor: Dirk Eckert