junge Welt, 14.09.2002,
Bildung, Hochschule junge Welt
»Wir dürfen uns nicht in die Ecke von Status-quo-Verteidigern drängen lassen«, mahnte David Hachfeld. Der Student der Politikwissenschaft war aus Berlin nach Köln gereist, um auf dem internationalen Bildungsforum der Gruppe »Education is not for sale« zu sprechen, das am Freitag in der Rheinmetropole stattfand. Den rund 50 studentischen Teilnehmerinnen und Teilnehmern empfahl er, nicht nur einfach gegen Studiengebühren zu protestieren, sondern eigene Vorstellungen zu entwickeln und die Politik zu thematisieren, die hinter der Einführung von Studiengebühren stehe: die gezielte Privatisierung von Bildung.
Was dann drohe, sei ein Zweiklassen-Bildungssystem und eine Ausrichtung der Wissenschaft an den Bedürfnissen der Wirtschaft, warnte ATTAC-Aktivist Hachfeld. Betroffen sei aber nicht nur die Bundesrepublik. »Es sind deutsche Unternehmen wie Bertelsmann, die auch auf die Bildungsmärkte anderer Länder wollen.« Als Schlüssel zu ausländischen Bildungsmärkten sieht Hachfeld das GATS an, das Abkommen zur Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen, über das derzeit im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) verhandelt wird.
Die Studierenden hörten die Botschaft gern � und stürzten sich nach Hachfelds Eröffnungsvortrag in die Workshops, um sich in die Einzelheiten von internationalen Abkommen wie dem GATS einzuarbeiten. Andere debattierten die Demokratisierung von Schulen und Hochschulen. Das Modellvorhaben »Selbständige Schule« der Bertelsmann-Stiftung, das am 1. August an 400 Schulen in Nordrhein-Westfalen gestartet wurde, war auch Workshop-Thema, genauso wie die Zukunft der Proteste gegen Bildungsabbau in Europa.
Auch aus Großbritannien und Finnland waren Studierende zu der international angelegten Veranstaltung gekommen. »Wir hoffen auf Kontakte«, erklärte Sacha Ismail von der National Union of Students aus London. In Großbritannien sei das Bewußtsein über das GATS und seine Bedeutung für die Privatisierung von Bildung noch nicht so weit entwickelt, beklagte er. Die Studiengebühren von 1000 Pfund pro Jahr ließen den Studierenden außerdem wenig Spielraum für politisches Engagement.
Ausgestattet mit der hart in Arbeitsgruppen erarbeiteten Information wollen die Studierenden jetzt wieder an die Öffentlichkeit. Am heutigen Sonnabend nehmen sie an der bundesweiten ATTAC-Demonstration in Köln mit einem eigenen Block teil. Ihr Motto: gegen Kommerzialisierung von Bildung, gegen Studiengebühren und GATS. An den Hochschulen selbst sind noch Semesterferien, deshalb habe es im Wahlkampf nur »einzelne, kleine Aktionen« gegeben, sagte Mona Beumers vom AStA der Universität Bochum.
Doch für den Herbst planen die Studis, die in Nordrhein-Westfalen im Sommersemester zu Tausenden gegen die Einführung von Studiengebühren auf die Straße gegangen sind, das politische Comeback. Denn die SPD-Grüne Landesregierung ist bisher nicht von ihrem Plan abgerückt, ab dem nächsten Sommersemester 650 Euro Gebühren für sogenannte Langzeitstudierende zu erheben.
Autor: Dirk Eckert