Stadt stutzt Wohnungshilfe

Einsparungen auf Kosten der Armen führen langfristig zu Mehrausgaben, warnen Kölner Wissenschaftler. Sie fordern von der Stadt, im Wohnungsamt selbst zu sparen

taz köln, 06.06.2002, Nr. 101, S. 3

taz köln

Wer eine Wohnung suchte, konnte sich bisher beim Wohnungsamt kostenlos beraten lassen, die Übernahme von Mietrückständen war ebenfalls möglich. Doch ein Teil dieser Angebote ist nach der jetzt erfolgten Umstrukturierung des Wohnungsamts zum Sozialamt verlagert worden oder – wie bei der Wohnungsvermittlung – sogar ganz weggefallen.

Ein „bewährtes Konzept in Bezug auf Wohnungssicherung, Probleme des Wohnungsverlusts und den Abbau von Obdachlosigkeit ohne Not“ werde „leichtfertig aufs Spiel gesetzt“, kritisiert der „Arbeitskreis Armutsgebiete“, der die Verwaltungsmaßnahme vom Freitag öffentlich gemacht hat. In dem Arbeitskreis haben sich Hochschullehrer der Universität, der Fachhochschule Köln und der Katholischen Fachhochschule NRW, Abteilung Köln, organisiert.

Die Professoren kritisieren, „die Lebenslage von Bevölkerungsgruppen, die ohnehin schon an der Armutsgrenze leben“, würde durch die Aufgabenreduzierung und -verlagerung verschlechtert. Für „nicht nachvollziehbar“ hält der AK Armutsgebiete die Begründung der Stadt, die mit der Umstrukturierung 1,7 Millionen Mark einsparen will. Mit „innerorganisatorischen Maßnahmen“ könnte ein Großteil des Geldes „im Wohnungsamt selbst“ eingespart werden.

Durch die Verringerung der Ausgaben für Mietrückstandsübernahmen würden „immer mehr Menschen vom ‚normalen’ Wohnungsmarkt ausgegrenzt und in Obdachloseneinrichtungen untergebracht“, fürchten die Wissenschaftler. „In der Fachöffentlichkeit ist hinlänglich bekannt, dass § 15a BSHG (Mietrückstandsübernahme) ein sehr wichtiges Steuerungsinstrument darstellt, um die Zahl der wegen Obdachlosigkeit unterzubringenden Personen gering zu halten.“

Im Übrigen lägen die Kosten pro „Fall“ im Wohnungsamt bei 1.250 Mark, bei einer Obdachloseneinrichtung betrügen sie 7.850 Mark. Bei den Einsparungen handele es sich deshalb „allenfalls um kurzfristige Effekte“. Langfristig würden die Kosten „erheblich“ steigen.

„Unverantwortlich“ nennen es die Professoren, die Vermittlung von Sozialwohnungen und die Mieterberatung einzustellen. „Das führt zu der nicht zu akzeptierenden Konsequenz, dass alle am Wohnungsmarkt ohnehin weniger durchsetzungsfähigen Haushalte, wie Alleinerziehende, Ausländer/innen, Familien mit Kindern – also in der Mehrzahl einkommensschwache Personen und Familien – nunmehr bei der Wohnversorgung auf sich selbst gestellt sind.“


Autor: DIRK ECKERT