taz köln / taz nrw, 04.04.2002, Nr. 94, S. 7
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200 Jahre Lehramtsausbildung: Dieses Jubiläum wird die Universität Bonn wohl nie feiern. Seit ihrer Gründung 1818 hat die Universität Lehrkräfte ausgebildet. Bis 2002: Da hat Nordrhein-Westfalens Bildungsminister Gabriele Behler (SPD) entschieden, dass Bonn nicht am Modellversuch für eine neue Ausbildung von Lehrpersonal teilnimmt. Bereits letztes Jahr hatte Behler die Ausbildung nach alter Art gestoppt.
„Das faktische Aus für die Lehramtsausbildung“, stellte die Universität Bonn „mit Enttäuschung“ fest. „Ein schmerzhafter Verlust für unsere Universität und ein rabenschwarzer Tag für die Schullandschaft in Nordrhein-Westfalen“, so Prorektor Matthias Herdegen.
Hintergrund dieser Entscheidung waren Empfehlungen des Expertenrates, eines Gremiums, das im Rahmen des „Qualitätspaktes“ nach Einsparmöglichkeiten an den NRW-Hochschulen suchen sollte. Mit dem „Qualitätspakt“ wurden landesweit 2000 Stellen gestrichen. Für die Lehramtsausbildung empfahl der Rat das angelsächsische Modell von Bachelor und Master. Die künftigen PädagogInnen würden demnach zuerst einen rein fachwissenschaftlichen Bachelor-Abschluss erwerben. Der Master würde schließlich die FachwissenschaftlerInnen zu Lehrpersonal machen. Der Einspareffekt liegt darin, dass der fachwissenschaftliche Bachelor an jeder Universität gemacht werden kann. Die Qualifikation fürs Lehramt durch den Master bliebe einigen, wenigen Universitäten überlassen. Bonn und Düsseldorf sollen nicht dazu gehören, entschied der Expertenrat.
Doch Bonn protestierte gegen die Pläne, zunächst mit Erfolg. Im März 2001 wurde eine „Erprobungsklausel“ zwischen Bonn und dem Düsseldorfer Ministerium vereinbart. Ein Jahr hatte Bonn demnach Zeit, ein eigenes Konzept für die LehrerInnenausbildung vorzulegen. Mit Bachelor- und Masterstudiengängen, versteht sich.
Dieses Konzept legte Bonn im Januar vor. Doch das NRW-Bildungsministerium hatte seine Pläne längst geändert und einen Modellversuch ausgeschrieben. Teilnehmen durfte, wer das beste Konzept für eine Lehramtsausbildung im Bachelor/Master-Format vorlegt.
Gewonnen haben die Unis Bielefeld und Bochum. Hier sollen die neuen Studiengänge als bundesweit einmaliger Modellversuch eingeführt werden. Für die Bonner kam das dem Aus gleich. Für den Gewinner Bochum war es ein Erfolg: Die Ruhr-Uni hätte nach Empfehlungen des Expertenrates die Lehramtsausbildung nur noch unter der Regie von Dortmund anbieten können.
Einen „Treppenwitz“ nennt das Jürgen Schmitter, Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Ausgerechnet die Universitäten, die der Expertenrat besonders kritisiert habe, seien jetzt an der Spitze der Reformer. „Zu einer guten Lehrerausbildung führt das ganz sicher nicht“. Michael Schulte, GEW-Geschäftsführer an Rhein und Ruhr, kritisiert die Universitäten in Bonn und Duisburg. Wenn schon gespart werde, habe es sicher die richtigen getroffen. Beide Universitäten hätten versucht, „Lehrer zu Fachwissenschaftlern zu machen“.
Das Bachelor/Master-Modell stößt bei der Gewerkschaft auf Ablehnung. „Die Orientierung am Lehrerberuf muss von Anfang an im Mittelpunkt stehen“, fordert Schulte. Gegen den Modellversuch der Landesregierung hat er allerdings nichts.
Angesichts der Sparpolitik des Staates wittern private Hochschulen ein neues Betätigungsfeld. Walther Ch. Zimmerli, Präsident der Privatuniversität Witten-Herdecke, will konsequenterweise sein Haus als „eine der bedeutendsten Reform-Bildungseinrichtungen Deutschlands“ ins Spiel zu bringen und LehrerInnen ausbilden. Was bisher Domäne der staatlichen Hochschulen ist.
Autor: DIRK ECKERT