Schlußstrich auf kölsche Art

NS-Dokumentationszentrum soll Eigenständigkeit verlieren

junge Welt, 25.03.2002, S. 4

junge Welt

Das NS-Dokumentationszentrum in Köln soll nach Plänen der Stadtverwaltung mit dem lokalen Stadtmuseum organisatorisch zusammengelegt werden. Die Bildungs- und Gedenkstätte im Kölner EL-DE-Haus, der ehemaligen Gestapo-Zentrale der Stadt, würde dadurch ihre Unabhängigkeit verlieren, außerdem hätte sie keine eigenständige wissenschaftliche Leitung mehr. Stadtmuseum und EL-DE-Haus sollen einen gemeinsamen Direktor bekommen, wenn der jetzige Leiter des Dokumentationszentrums, Professor Horst Metzerath, im Mai in Pension geht.

Offiziell wird in Köln, die Haushaltskonsolidierung als Grund angegeben. Kritiker vermuten jedoch, daß die Stadt für den bisherigen Chef des Stadtmuseums, Werner Schäfke, einen neuen Posten braucht. Schäfke wurde zuletzt vorgeworfen, sich beim Erwerb und Verkauf von Museumsexponaten nicht korrekt verhalten zu haben. Allerdings wird er erst 2009 pensioniert. Bis dahin soll er ein neu zu schaffendes »Referat wissenschaftliche Stadtgeschichte« leiten.

Das NS-Dokumentationszentrum hat sich in den letzten Jahren mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit der Stadt einen Namen gemacht. Zu seinen Arbeitsbereichen zählen etwa Betreuung und Besuchsprogramm für ehemalige Zwangsarbeiter, Bildungsarbeit und wissenschaftliche Forschung. Im Keller des Gebäudes sind noch die Gefängniszellen erhalten, mit Inschriften der Opfer an den Wänden. Zwangsarbeiter, die bei der Flucht erwischt wurden, waren hier eingesperrt, im Hof fanden Hinrichtungen statt. Heute ist das Haus deshalb Gedenkstätte.

Peter Liebermann vom Förderverein des EL-DE-Hauses sieht durch die Zusammenlegung das »eigenständige Profil« des Hauses als »Gedenk-, Forschungs-, Dokumentations- und Bildungsstätte« gefährdet. »Die Arbeit des Zentrums unterscheidet sich erheblich vom Auftrag eines Museums«, sagt Liebermann und verweist auf die pädagogische Arbeit, die »eh’ schon unterbesetzt« sei. Gebraucht würden mehr Stellen.

In die gleiche Richtung argumentiert auch Roland Schüler vom Kölner Friedensbildungswerk. »Wir brauchen das NS-Dokumentationszentrum«, bekräftigt er. Als Bildungseinrichtung seien sie auf die wissenschaftliche Forschungsarbeit angewiesen. So werde etwa der Auschwitz-Gedenktag, der 27. Januar, in Köln inhaltlich vom NS-Dokumentationszentrum geplant, was die Behandlung des Themas an den Schulen angeht.

Die beiden regierenden Parteien, CDU und FDP, begrüßen die Pläne ihrer Stadtverwaltung. Die SPD befürchtet dagegen, dass das EL-DE-Haus an der Seite des Stadtmuseums »verkümmert«. Bündnisgrüne und PDS kritisieren die Pläne der Verwaltung gleichlautend als »Nacht- und Nebelaktion«. Die »erschütternden Inschriften der Insassen in der Gestapo-Haft« sollten »politisch übertüncht« werden, wirft Wolfgang Breuer von der PDS/Offene Liste der Verwaltung vor.

Peter Liebermann hat den Verdacht, daß das Thema Faschismus ins Museum abgeschoben und »historisiert« werden soll. In Gesprächen mit Vertretern von Stadt, Verwaltung und Parteien sei ihm oft gesagt worden, »60 Jahre nach Kriegsende könnte man doch mal darüber nachdenken«.


Autor: Dirk Eckert