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Wechselt die PDS in der Einwanderungspolitik den Kurs? Nach einem 6-Punkte-Papier der stellvertretenden Parteivorsitzenden Petra Pau tobt auch in bei der PDS eine Diskussion über Einwanderungspolitik. Die Forderung nach offenen Grenzen solle gekippt werden, befürchten KritikerInnen. Umfragen, nach denen 59% der PDS-AnhängerInnen – 1% mehr als bei der CDU – der Meinung sind, dass bereits zu viele “Ausländer” in Deutschland sind, machen die Runde.
Presseberichten zufolge hatte Pau ihr 6-Punkte-Papier vor der Veröffentlichung noch einigen Mitgliedern der PDS-Bundesarbeitsgemeinschaft Antirassismus vorgelegt, die nach ein paar Änderungswünschen Zustimmung signalisierten. Gleichzeitig hat sie mit dem öffentlichkeitswirksamen Papier alle Positionsentwürfe von Fachleuten der Partei ignoriert. Die fühlen sich jetzt überfahren und kritisieren das Vorgehen von Pau.
Petra Pau dementiert derweil fleißig jedes Abrücken von bisherigen Positionen. Sie bekennt sich zum individuellen Grundrecht auf Asyl und mahnt die “Übernahme internationaler Konventionen, etwa zum Kinderrecht und für Wanderarbeiter”, an. Das Asylbewerberleistungsgesetz gehöre abgeschafft, genau so wie die Flughafenregelung. Geschlechtsspezifische Fluchtursachen müssten endlich als Asylgrund anerkannt werden.
Die stellvertretende Partei- und Bundestagsfraktionsvorsitzende will ihr Papier eher als Ergänzung zu bisherigen Positionen verstanden wissen. “Offene Grenzen für Menschen in Not”, wie es in Punkt 5 ihres Papiers ausdrücklich heißt, ist für sie unstrittig. Wie aber mit Menschen umgehen, die nicht in Not sind, aber trotzdem einwandern wollen?
Pau wendet sich gegen Quoten. Das führe zu inhumaner Einteilung in “nützliche” und “ausnützende” Menschen, meint sie. “PDS-Politik zielt auf klare Einwanderungsrechte”, heißt es deshalb in ihrem Papier. “Grundsätzlich darf einwandern, wer dafür Rechtsansprüche geltend machen kann.” Das deutsche Einwanderungsrecht in seiner jetzigen Form kritisiert Pau als “unübersichtlich, repressiv, bürokratisch”.
Unter der Überschrift “Recht und Willkür passen nicht zusammen” benennt sie, was einen Rechtsanspruch auf Einwanderung nach sich ziehen soll: Erstens Familiennachzug, zweitens Arbeitsaufnahme, drittens Beschäftigungssuche (sechs Monate bei gesichertem Lebensunterhalt) und viertens Ausbildung/Studium.
Genau an diesem Punkt setzen KritikerInnen wie Ulla Jelpke, die innenpolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion, an. Wenn jemand nach sechs Monaten keine Arbeit gefunden hat, kommt der dann in Abschiebehaft, fragt Jelpke. Sie wirft Pau vor, damit die Debatte über den Nutzen von ImmigrantInnen übernommen zu haben, “ob Petra das nun will oder nicht”.
“Die Formel: ‚Wer nicht schafft, fliegt raus’ ist für mich ein typisch deutscher, rassistischer Reflex”, meint Jelpke. In der Tat: von den vier Kriterien, die Pau entwickelt hat, sind drei ökonomischer Natur und folgen genau dieser Logik.
Kritik an Paus Einwanderungsrechten kommt auch von PDS-Bundesvize Peter Porsch. Es mache “keinen Sinn, dass wir uns in der Bundespolitik an einem Wettlauf zwischen den Parteien über die Definition von Rechtsansprüchen beteiligen, die Menschen das Recht geben, hier zu Lande zu leben”, meinte er.
Porsch untermauert seine Ansicht mit einer Lehre aus der Vergangenheit: “Die wichtigste Lehre aus der Einmauerung einer ganzen Bevölkerung in der DDR im Namen des Sozialismus kann für eine demokratisch- sozialistische Partei wie die PDS nur sein: Unser höchstes Gut ist die Freizügigkeit. Dies gilt nicht nur, aber auch für das Überschreiten von Landesgrenzen.”
Auch Ulla Jelpke will nicht von ihrer Position abrücken: “Ich werde mich auch in Zukunft einer Debatte zur Einwanderungspolitik mit repressiven Folgen, die zum Beispiel Abschiebungen umfasst, entgegenstellen”, so die Abgeordnete. “Abschiebungen sind organisierte Inhumanität.”
Autor: Dirk Eckert