taz köln, 02.11.2000, Nr. 26, S. 1
Innenpolitik taz köln
Die Lufthansa AG fährt schwere Geschütze gegen “kein mensch ist illegal” (kmii) auf: Die Fluglinie will die Flüchtlingsinitiative zwingen, zwei konzernkritische Plakate von ihrer Homepage zu entfernen, die auf dem Server der Kölner StadtRevue liegt. Das Unternehmen droht mit einer Vertragsstrafe von 10.100 Mark.
Der Anlass des Streits: kmii hatte vor einigen Monaten die Kampagne “Deportation.Class – Gegen das Geschäft mit Abschiebungen” gestartet, will Fluggäste und Personal zum Handeln gegen Abschiebungen motivieren. Letztendlich soll die Lufthansa dazu bewegt werden, das Geschäft mit der Abschiebung von Flüchtlingen aufzugeben. kmii setzt den Konzern mit politischem Theater auf Flughäfen unter Druck, störte eine Aktionärsversammlung – und verballhornte in einer Wanderausstellung die Lufthansa-Werbung. “Beliebte Abschiebziele – Wir fliegen sie raus. Lufthansa”, heißt es etwa auf einem Poster der Kölner Künstlerin Carmen Linder.
Keine gute Werbung für die Lufthansa. Anfang Oktober schickten ihre Anwälte deswegeneine Abmahnung an kmii und StadtRevue. Die Juristen monierten “Einsatz und Manipulation der für unsere Mandantin eingetragenen Marken” und forderten, sämtliche Plakate “unverzüglich aus dem Internet” zu entfernen. Sonst drohe eine Klage. Doch kmii und StadtRevue ließen ein Ultimatum der Anwälte verstreichen.
Woraufhin diese in der letzten Woche eine einstweilige Verfügung nachschob. Die richtet sich nicht mehr gegen die gesamte Ausstellung, sondern nur noch gegen zwei Plakate: “deportation class” des Münchners Matthias Weinzierl könne “aufgrund des Designs und der verwendeten Logos und Schriften” mit einem Werbeplakat der Lufthansa verwechselt werden, so Unternehmens-Sprecher Thomas Jachnow. Auf dem zweiten Plakat werde die Lufthansa mit Adolf Hitler in Verbindung gebracht. Das Poster zeigt den Führer beim Verlassen eines Fliegers (“Er durfte Lufthansa-Komfort genießen. Andere nicht.”).
Die StadtRevue zeigte sich kompromissbereit: Das Hitler-Plakat, das auch intern umstritten sei, wurde mittlerweile von der Homepage entfernt. Damit werde die Lufthansa zufrieden sein, hofft das Magazin.
Doch das Weinzierl-Plakat steht nicht zur Disposition. Es zeigt einen gefesselten Flüchtling in einem Flugzeug, der von teilnahmslos dreinblickenden Passagieren umgeben ist. Es erinnert an den Auslöser der Kampagne: Den Tod des sudanesischen Flüchtlings Aamir Aggep. Er erstickte 1999 während eines Abschiebeflugs.
Autor: DIRK ECKERT / MARCUS MEIER