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Unter großem Polizeiaufgebot fand am 10. Juni 1998 in Berlin das “Öffentliche Gelöbnis” der Bundeswehr statt. Die Veranstaltung vor dem Roten Rathaus war eigentlich für den 13. August geplant – den Jahrestag des Mauerbaus. Aufgrund starker Proteste verzichtete die Bonner Hardthöhe auf den umstrittenen Termin. Der Berliner Senat ging nun davon aus, daß das Gelöbnis ohne “gewalttätige Störungen” stattfinden könnte.
Berlins Innensenator und General a. D. Jörg Schönbohm (CDU) lud allerdings kurz vor dem 10. Juni die Öffentlichkeit wieder aus. Denn inzwischen hatten AntimilitaristInnen geplant, sich als unauffällig gekleidete BürgerInnen unter die ZuschauerInnen zu mischen und dann zu Trillerpfeifen zu greifen. “Was als Jubelschau zur pompösen Selbstdarstellung der Bundeswehr angekündigt wurde, ist auf der ganzen Linie gescheitert. Öffentlichkeit heißt eben auch Kritik, doch diese ist nicht erwünscht”, ließ die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär noch vor dem Gelöbnis verlauten und verkündete schon mal ihren Sieg: “Aus dem öffentlichen Gelöbnis wird eine Veranstaltung im engen Kreis, genau wie in der Kaserne. Damit ist die Forderung der Kampagne, Gelöbnisse nicht in der Öffentlichkeit durchzuführen, weitgehend erfüllt.”
Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen wurden dann am 10. Juni die Soldaten vor den unbewaffneten DemonstrantInnen geschützt. Diese wurden auf eine Seitenstraße abgedrängt, konnten sich aber mit Trillerpfeifen Gehör verschaffen. Einige DemonstrantInnen wurden verhaftet. Die Kampagne kritisierte das Vorgehen der Polizei: Sie habe sich “mit ihrem rechtswidrigen Vorgehen über die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hinweggesetzt, daß die Bundeswehr kritische Äußerungen der Zuschauer dulden muß, auch wenn ,Würde und Feierlichkeit der Veranstaltung unter gewissen Beeinträchtigungen leiden'”. “Demonstrationsrecht und Meinungsfreiheit wurden beschädigt”, so die Kampagne.
Auf einer Gegenkundgebung sprachen “der PDS-Politiker Gregor Gysi, der gegen die ,Militarisierung der Gesellschaft’ wetterte, sowie der Vorstandssprecher der Grünen, Trittin, der sich nicht zu schade war, das Berliner Gelöbnis mit den öffentlichen Vereidigungen in der Zeit des ,faschistischen Terrors’ zu vergleichen”, so die konservative Neue Zürcher Zeitung. KritikerInnen wiesen darauf hin, daß öffentliche Gelöbnisse in Deutschland das erste Mal von den Nazis veranstaltet wurden.
Autor: Dirk Eckert