Geschichte lernen im Netz

Die Plattform "segu Geschichte" bietet Schaubilder, Zeitleisten, Lernvideos oder Ratespiele, die den Geschichtsunterricht in der Schule bereichern sollen.

Impuls (SWR2), 14.03.2017

Radio Reportage SWR2

(Anmoderationsvorschlag: Die Möglichkeiten digitaler Medien verändern den Schulunterricht. Für den Geschichtsunterricht ist die neue Online-Lernplattform „segu Geschichte“ da. Sie stellt Lernmaterialien wie interaktive Schaubilder und Quizformate, digitale Zeitleisten und Lernvideos, virtuelle Erkundungen mittels Street View und Lernaufgaben frei zur Verfügung. Entwickelt wurde sie in sechsjähriger Arbeit am Historischen Institut der Uni Köln. Dahinter steht auch ein neues Konzept von Geschichtsunterricht: Schülerinnen und Schüler sollen „Geschichte selber denken“.)

„Wir haben ja heute die erste Geschichtsstunde überhaupt. Wir arbeiten direkt im Computerraum. Und wir arbeiten heute mit einer Lernplattform, die heißt segu Geschichte, auf der Ihr die Materialien, die Ihr zum Geschichtslernen braucht, direkt finden könnt.“

5. und 6. Stunde in einem Kölner Gymnasium. Christoph Pallaske unterrichtet Geschichte an der Königin-Luise-Schule. Heute geht es ums Mittelalter. Um Ritter, Mönche, Burgen, Städte und Klöster. Aber auch darum, wie die Menschen im Mittelalter gelebt haben. Wie das aussah, davon können sich die Schülerinnen und Schüler heute selber Bild machen. Kupferstiche und Holzschnitte, historische und heutige Fotografien – all das findet sich auf der Onlineplattform segu Geschichte, die Christoph Pallaske in sechs Jahren an der Uni Köln entwickelt an. Unterricht im Computerzeitalter: Statt dem Lehrer zwei Sunden lang zuzuhören, klicken sich die Schüler durch ein Online-Angebot, recherchieren und diskutieren. Christoph Pallaske erklärt:

„Es gibt drei Module, die sollt Ihr alle bearbeiten. Die Basismodule, die findest Du hier unten. Das, was Ihr da machen sollt, das könnt Ihr Euch einfach durchlesen, das steht da. Das sind die Module. Module 1, 2, 3, 4, 5, das geht bis 8. Und 1, 3 und 4 sollt Ihr alle bearbeiten und die anderen dürft Ihr Euch aussuchen, welches Ihr davon bearbeitet. Am besten, wenn Ihr mit diesen drei Basismodulen fertig seid, ja?“

Klingt kompliziert…. Aber als die Schülerinnen und Schüler, zwischen 11 und 13 Jahre alt, erstmal die Internetseite gefunden haben, kommen sie schnell mit den Übungen klar. Da geht es zum Beispiel darum, Redewendungen zu erklären, die aus dem Mittelalter stammen. Ob einem die Felle davon schwimmen, einem etwas durch die Lappen geht oder man etwas auf die hohe Kante legt – in Gruppenarbeit wird jeder Spruch gelöst, auch wenn jemand was im Schilde führt:

„Wenn man etwas im Schilde führt, dann bedeutet das, das man etwas vorhat.“

Eine andere Übung ist, Begriffe aus dem Mittelalter richtig zuzuordnen. Zwei Mädchen klicken sich durch Wörter wie Turniere, Markplatz, Leibeigene und Zünfte. Schnell schieben sie sie mit der Maus zu den passenden Bildern von Burg und Stadt. Doch was bitte sind Zünfte?

„Zünfte? Mit dem Begriff kann ich überhaupt nichts anfangen. Ne. Zünfte? Sollen wir mal googeln, was Zünfte sind?

Mit ein paar Klicks geht es rüber zu Wikipedia. Das machen alle Schüler bereits sehr sicher und selbstständig. Und das ist ja auch das Ziel der Übung. „segu Geschichte“ steht für „selbstgesteuert entwickelnder Geschichtsunterricht“. Im sogenannten Offenen Unterricht sollen sich alle Schülerinnen und Schülern aktiv beteiligen können, sagte Christoph Pallaske. Die Onlineplattform strukturiert das Lernen.

„Diese Lernplattform segu Geschichte bietet viele Lernmodule, die die Schülerinnen und Schüler in kleinen Teams bearbeiten sollen. Sie können sich selber aussuchen, wann sie wie welche Module bearbeiten. Und Ziel ist es, Lehrerinnen und Lehrern eine Möglichkeit zu geben, die es nach meinem Eindruck bisher kaum gab, tatsächlich in einer alternativen Unterrichtsform individuelle Förderung und Differenzierung auch zu verwirklichen.“

Schulen aus verschiedenen Bundesländern haben sich dem Projekt als Partnerschulen angeschlossen. An Werktagen hat segu Geschichte rund 3000 Nutzer, die um die 8000 Seiten aufrufen. Es gibt Lernmodule von der Steinzeit bis heute. Und den Schülerinnen und Schülern gefällt die Art zu lernen:

„Man steigert sich halt von Ebene zu Ebene. Das ist ja nicht wie ein Test oder so. – Man lernt halt was dazu. Wenn man’s jetzt vorher eben nicht wusste, und das Quiz dann vielleicht falsch gemacht hat, dann weiß man ja dann aber wenigstens, wie es richtig ist und hat dann was dazugelernt. Eigentlich macht es voll Spaß.“

Langsam klicken sich alle durch ihre Aufgaben. Aber am Ende kehren sie doch zu Stift und Papier zurück. Denn Herr Pallaske hat ihnen auch aufgetragen, ihre Arbeitsergebnisse zu sichern. Mal eben durchklicken, dann Mittagspause, so einfach ist der Online-Unterricht dann auch nicht:

„Hauptsächlich habe ich natürlich nachher Eure Geschichtsmappe. Die würde ich dann gerne einsammeln und mir die Ergebnisse angucken. Dann kann ich ja sofort sehen, wie Ihr mit den Modulen klargekommen seid, wie intensiv Ihr die bearbeitet habt und natürlich auch, wie viel Mühe Ihr Euch gegeben habt. Also bitte versucht, Eure Ergebnisse deshalb sorgfältig aufzuschreiben und zu dokumentieren.“


Autor: Dirk Eckert

MP3: http://avdlswr-a.akamaihd.net/swr/swr2/impuls/beitraege/2017/03/14-geschichte-lernen-im-netz.12844s.mp3