Wie sieht der Wald der Zukunft aus – ein Naturexperiment

Im Waldlabor im Koelner Westen experimentiert die Forstverwaltung mit Energiewald, Klimawald und Wildniswald.

Impuls (SWR2), 22.11.2016

Radio SWR2

(Anmoderation: Wenn sich das Klima verändert, dann hat das auch Auswirkungen auf die Pflanzen- und Tierwelt. Zum Beispiel auf den deutschen Wald: Welche Bäume für trockeneres Klima geeignet wären, wie die Forstwirtschaft den Wald besser nutzen kann, wie sich Wälder natürlich entwickeln, wenn der Mensch nicht eingreift – all das wird seit sechs Jahren bei einem Freilandversuch im Kölner Westen untersucht. Erste Erfahrungen liegen jetzt vor.)

Es ist ein sonniger Herbsttag, ideales Klima sozusagen. Auf einem breiten Schotterweg geht es mit der Führung los, hinein in das kleine Waldstück, das einen Blick in die Zukunft des deutschen Waldes liefern soll. Die Kölner Forstverwaltung experimentiert hier mit neuen Baumarten. Schon nach wenigen Metern testet Markus Bouwman, der Leiter der Forstverwaltung, wer in der Schule gut aufgepasst hat:

„Die Bäume, die wir hier gepflanzt haben: Kennt die einer, kann einer sagen, was das hier für ein Baum ist?“

Großes Schweigen. Einer tippt Ahorn, doch es ist eine Elsbeere. Das weiß niemand, denn der Baum kommt in deutschen Wäldern kaum noch vor. Im Waldlabor im Westen von Köln kann die Elsbeere wieder wachsen. Bouwman und seine Mitarbeiter haben hier auf 25 Hektar vier verschiedene Waldtypen angelegt: Im Energiewald stehen Bäume, die schnell wachsen und damit gut zur Stromerzeugung verwendet werden können, zum Beispiel Balsampappel und Korbweide. Im Klimawald wird mit Bäumen experimentiert, die Trockenheit aushalten können. Der Wandelwald steht für neue Waldformen jenseits der traditionellen Fortwirtschaft, hier steht auch die Elsbeere. Und schließlich gibt es noch ein Stück Fläche, das die Förster ganz in Ruhe lassen. Im Wildniswald wuchert bereits der Urwald. Bergahorn, Birke und Weide haben sich dort breit gemacht. Das Waldlabor soll den Förstern zeigen, wie der Wald der Zukunft aussehen könnte. Markus Bouwman:

„Wie entwickelt sich der Wald im Klimawandel, wie werden sich unsere Wälder entwickeln? Und wie müssen sie gegebenenfalls bewirtschaftet werden, welche Baumarten kann man wählen, um im Klimawandel eben hier den Wald zu pflegen?“

2010 ist das Waldlabor angelegt worden. Am 21. März, dem Internationalen Tag des Waldes, ging es los. Auf einer Ackerfläche direkt neben der A4 wurden die ersten Setzlinge gepflanzt. Inzwischen stehen die Bäume meterhoch. Im Energiewald stehen vor allem Pappeln und Weiden. Die erste Generation ist längst abgeerntet worden, berichtet Markus Bouwman. Sehr zum Entsetzen der Anwohner, die eines Tages einen Acker mit Baumstümpfen erblickten statt das gewohnte grüne Dickicht. Aber die Energiegewinnung aus Holz ist klimaneutral und damit umweltfreundlich, erläutert Markus Bouwman:

„Bäume machen Photosynthese, letztendlich nehmen die CO2 auf, nehmen Wasser auf, bauen dadurch Zucker auf und letztendlich Holz. Wenn man dieses Holz nutzt und verbrennt zur Energieerzeugung, wird wiederum CO2 frei. Das nehmen die Bäume auf, machen daraus wieder Holz, Sie nutzen das Holz wieder. Also der perfekte Kreislauf, der alle unsere Energieprobleme lösen würde.“

Die Bäume im Waldlabor stammen aus aller Welt. Im Energiewald stehen auch Blauglockenbäume, die aus Japan kommen. Sie wachsen schell und hoch. Ob sie allerdings einen harten mitteleuropäischen Winter überstehen, muss sich erst noch zeigen. Die Korbweiden im Energiewald kommen aus Schweden, die Sorten heißen Inger, Tordis, Tora und Sven. Markus Bouwman nennt sie deshalb auch den Ikea-Wald. Im Klimawald wiederum steht ein Baum, der aus den USA kommt, die Küstentanne.

„Sie wissen, dass durch den Klimawandel wird es immer wärmer. Und der Brotbaum der deutschen Forstwirtschaft ist die Fichte, die die überwiegenden Erträge bringt, die aber unter der Trockenheit leidet, da kommen Borkenkäfer… Und die wird an vielen Standorten bei uns in Deutschland nicht mehr wachsen können. Und als Alternativbaumart wird propagiert unter anderem die Küstentanne. Die kommt normalerweise im Nordwesten der USA vor, also in Washington, Oregon und ist dort in den Naturwäldern mit der höchste Baum. Das ist die Tanne, die am höchsten wächst von allen Tannenarten.“

Inzwischen haben sich zahlreiche Tier- und Pflanzenarten im Waldlabor breit gemacht. Turmfalken, Bussarde, Pirole und Waldohreulen wurden schon gesichtet, Kaninchen und Füchse auch. Aber nicht nur Flora und Fauna gedeihen. Auch Anwohner machen hier ihren Spaziergang. Und wer mindestens 150 Euro für Baumpflanzungen spendet, bekommt ein Namensschild an einer Tafel. Das wird gern genutzt, viele Bürger wollen zur Heirat oder zur Geburt eines Kindes einen Baum spenden. Dabei steht das Waldlabor mit seinen sechs Jahren eigentlich noch ganz am Anfang:

„Wenn wir Förster Wald begründen, dann machen wir das ja nicht für die nächsten zehn Jahre, sondern mindestens für die nächsten hundert Jahre. Sie müssen sich also vorstellen, in ca. zehn Jahren werden Sie hier durch einen geschlossenen Nadelwald gehen und kommen dann hier in den Laubwald.“

Den Klimawandel aufhalten können aber alle Wälder der Welt nicht. Letztlich führe kein Weg daran vorbei, Energie einzusparen, meint Markus Bouwman. Denn so viele Bäume kann man gar nicht anbauen, dass sie alle Autoabgase absorbieren könnten. Außerdem sollten auch nicht alle Wälder so umgestaltet werden, dass sie nur noch der Energiegewinnung dienen:

„Hier sind letztendlich, wenn ich an den Energiewald denke, wirklich extreme Waldformen, werden hier gezeigt. Um vielleicht auch zu sagen: Soweit sollte es gar nicht kommen. Also wenn wir soweit sind, dass wir praktisch nur noch solche Energiewälder haben, dann haben wir irgendetwas falsch gemacht.“


Autor: Dirk Eckert

MP3: http://avdlswr-a.akamaihd.net/swr/swr2/impuls/beitraege/2016/11/22-freilandversuch-in-koeln.12844s.mp3