Auf der Kippe

Iran/USA: Statt eines Sanktionsabbaus ist ein Sanktionschaos entstanden. Es gefährdet das Atomabkommen

der Freitag, 04.08.2016, S. 8

Freitag

Gückwünsche zum Jubiläum sehen anders aus. Ein Jahr wurde das Abkommen gerade alt, mit dem Iran auf Atomwaffen verzichtet. Doch statt den Vertrag zu würdigen, der auch ein Ende der gegen sein Land verhängten Sanktionen vorsieht, droht Ali Akbar Salehi, Leiter der nationalen Atomenergiebehörde, offen mit einem Bruch. Wenn die USA ihren Teil des Agreements nicht einhielten, könne das Nuklearprogramm innerhalb weniger Monate wieder hochgefahren werden. Auch wenn Außenminister Mohammed Sarif den Atomdeal umgehend verteidigt hat, so ist der nicht außer Gefahr. Kritiker im Westen werfen der iranischen Regierung vor, bisweilen hart an die Grenzen des Erlaubten zu gehen, aber letztlich hält sich Teheran an das geltende Kontrollregime. Nur werden die Sanktionen allenfalls schleppend aufgehoben, so dass westliche Firmen nach wie vor kaum investieren.

Ein Grund: Es gibt Raketentests, von denen der Iran nicht lassen will. Laut Resolution 2231 des Sicherheitsrats ist das Land „aufgerufen“, keine Raketen zu entwickeln, die atomar bestückt werden können, doch liegt damit streng genommen kein Verbot vor. Was Teheran darüber hinaus angekreidet wird, sind der Beistand für die libanesische Hisbollah wie die Feindschaft gegenüber Israel. Das US-Außenministerium hat den Iran wegen der Hisbollah zum größten Unterstützer des Terrorismus erklärt.

Barack Obama wiederum bescheinigt Teheran Vertragstreue, meint aber, wer Raketen teste, der verstoße gegen den Geist des Abkommens. Deshalb werden neue Sanktionen gegen Personen und Firmen verhängt, die in das Raketenprogramm verwickelt sein sollen – die Wirtschafts- und Finanzsanktionen nur teilweise aufgehoben. Der Zugang zum internationalen Finanzsystem, auch wenn sie wieder das globale Transaktionsnetzwerk SWIFT nutzen dürfen, das weltweit den Zahlungsverkehr tausender Banken regelt. Der Bundesverband deutscher Banken sieht bis heute „für Kreditinstitute weiterhin gravierende Unsicherheiten bei der Wiederaufnahme von Geschäftsbeziehungen zu iranischen Banken bzw. Kunden“, so Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer. Das liege an fehlender Synchronität zwischen europäischer und amerikanischer Sanktionspolitik wie den Vorschriften gegen Geldwäsche.

Prinzip unterlaufen

In Washington wird versucht, solche Bedenken zu zerstreuen. Barack Obama ließ wissen, Iran solle seine Finanzgeschäfte bitte über europäische Banken abwickeln. Außenminister John Kerry traf sich im Mai mit europäischen Bankern in London. Geschäfte mit Iran seien legitim, sie müssten sich keine Sorgen machen, war seine Botschaft. Überzeugen konnte er nicht, da die USA selbst nur die sogenannten Secondary Sanctions aufgehoben haben, die sich auf Nicht-US-Bürger und Unternehmen beziehen. Die sogenannten Primärsanktionen, die wegen Terrorismus verhängt wurden und US-Amerikaner reglementieren, bleiben ebenso in Kraft wie Sanktionen, die sich nicht auf den Atomdeal beziehen. Und die können sich auch gegen nicht-amerikanische Firmen richten, etwa wenn diese zu Personen oder Organisationen Beziehungen unterhalten, denen die USA Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen, Terrorismus oder am Raketenprogramm vorwerfen. Das richtet sich klar gegen die iranischen Revolutionsgarden, die wirtschaftlich massiv exponiert sind.

„Prüfen Sie Iran-Geschäfte nach wie vor peinlich genau“, rät etwa die IHK Regensburg. Manche Juristen fürchten auch, dass deutsche Firmen beim Iran-Engagement Probleme bekommen, wenn sie US-Bürger in Führungspositionen beschäftigen, denn die müssten sich an alle US-Sanktionen halten. Folglich herrscht ein Sanktionschaos, das erhebliche Rückwirkungen auf das Atomabkommen haben kann. Es wird das Prinzip unterlaufen, atomare Abrüstung ökonomisch zu honorieren.


Autor: Dirk Eckert