Piraten in der Antike

Impuls (SWR2), 29.04.2016

Radio SWR2

Anmoderation:

Gab es auch bei den alten Römern und Griechen schon Piraten? Aber ja! Das Mittelmeer war damals zeitweise ein gefährliches Gewässer. Sogar der junge Julius Cäsar wurde von Piraten entführt und erst gegen Lösegeld wieder freigelassen. Das Varusschlacht-Museum in Kalkriese zeigt nun Zeugnisse der antiken Piraterie aus mehreren italienischen Museen. Dirk Eckert hat sie sich angesehen:

(O-Ton Meeresrauschen)

Das Mittelmeer. In der Antike war es der wichtigste Wasserweg. Schiffe transportierten Metalle wie Bronze, Gold, Kupfer, Silber und Zinn; außerdem Amphoren mit Olivenöl und anderen Lebensmitteln. Und natürlich Holz und Getreide, denn Städte wie Athen und Rom konnten ohne solche Getreidelieferungen gar nicht existieren. Die Anreiner profitierten von dem regen Handel. Aber auch Piraten trieben ihr Unwesen auf dem Mittelmeer. Ursprünglich wurden die Raubzüge auf See gar nicht als unmoralisch angesehen, sagt Heidrun Derks, die Leiterin des Varusschlacht-Museums im Osnabrücker Land:

„Weil der Beutezug an sich und das Rauben an sich noch gar nicht als Verbrechen wahrgenommen werden. Also wenn die dazu führen, dass ich reicher werde, dann ist das in Ordnung. Es gab in der Zeit eben noch kein Konzept davon, also Recht vs. Unrecht, das über mein persönliches Interesse hinausgeht. Sondern was mir nützte, war immer gut, was mir schadete, war immer schlecht. Das heißt, wenn ich beraubt wurde, war das ein Verbrechen, wenn ich raubte, war das eine gute Sache.“

Zeugnis davon gibt Homers Odysee. Ganz offen sagt der Dichter, wie Odysseus sich finanzierte: indem er Städte plünderte. Der mythische Held ist damit auch der Prototyp eines Kriegsherrn der See. Kaum abgereist aus Troia, das die Griechen mit dem von ihm erdachten Trojanischen Pferd erobern konnten, erreichte er die Stadt Ismaros in Thrakien. Odysseus berichtet:

„Da verheert’ ich die Stadt und würgte die Männer. Aber die jungen Weiber und Schätze teilten wir alle unter uns gleich, dass keiner leer von der Beute mir ausging.“

Doch das wird in der Odyssee nur beiläufig erwähnt, nicht weiter thematisiert und schon gar nicht skandalisiert. Piraterie – das machten eben immer nur die anderen. Joseph Rottmann, Geschäftsführer des Varusschlacht-Museums:

„Piraten war eine Fremdbezeichnung. Also die Piraten haben sich nicht Piraten genannt, sondern sie wurden so bezeichnet. Das belegt ja im Grunde auch, dass ja zunächst erst mal keine ehrenvolle Auszeichnung war, sie so zu titulieren.“

So ist es heute für die Wissenschaftler schwierig, anhand der spärlichen beziehungsweise einseitigen Quellen zwischen Lokalherrschern und Piraten, brutalen Kriegshandlungen und kriminellen Raubzügen zu unterscheiden. Den Griechen etwa galten Etrusker und Phönizier als Piraten. Dabei waren die Phönizier die ersten großen Seefahrer und Händler des Mittelmeeres. Sie fuhren bis zur Westküste Afrikas jenseits der Säulen des Herakles. Ihre erfolgreichste Koloniegründung war Karthago. Aber die Phönizier waren eben auch Konkurrenten der Griechen, die selbst den gesamten Mittelmeerraum kolonisierten.

Doch soviel geben die antiken Quellen her, dass man sagen kann: Gewalt auf See war weit verbreitet. Sie war Teil der antiken Wirtschaft wie der Kriegsführung, denn Beutezüge waren durchaus übliche Methoden. Zum Teil waren die Piraten ehemalige Soldaten, die sich in Friedenszeiten als Banden auf Diebstahl verlegten. Beute waren nicht nur Gold und Silber oder andere Kostbarkeiten, sondern auch Menschen. Am liebsten tauschten die Piraten ihre Gefangenen gegen Lösegeld. Ging das nicht, verkauften sie sie auf dem Sklavenmarkt.

Piraten tauchten immer dann auf, wenn es keine staatliche Ordnung gab. Als zum Beispiel im östlichen Mittelmeer die Diadochenreiche schwächer wurden und die Römer dorthin expandierten, kam es zunächst zu einem Aufschwung der Piraterie. Heidrun Derks:

„Piraten haben wir nur dort, wo wirtschaftliche Misere und politische Instabilität zusammenkommen. Also eine fehlende Staatsmacht, ein fehlendes Gewaltmonopol, keiner, der eine Ordnungsmacht ausüben kann und stattdessen wiederstreitende Parteien, die dieses Geld brauchen, um ihren Bürgerkrieg oder was immer sie da vorhaben, zu finanzieren.“

Vor allem die Küste von Kilikien im Südwesten der heutigen Türkei galt als Piratennest. Dort wurde auch der junge Gaius Julius Caesar von Piraten verschleppt. Caesar war auf dem Weg nach Rhodos, wo er Rhetorik studieren wollte. Angeblich forderten die Piraten zwanzig Talente Silber Lösegeld. Caesar war empört und erklärte laut Überlieferung, er sei mindestens fünfzig Talente wert. Die Piraten erhöhten ihre Lösegeldforderung. Nach seiner Freilassung führte Cäsar dann seinen eigenen privaten Feldzug gegen die Piraten. Er stellte sie und ließ sie hinrichten.

67 v. Chr. bekam der römische Feldherr Pompeius den Auftrag, der Piraterie ein Ende zu setzen. In wenigen Monaten besiegte er die Piraten, gab ihnen Land und siedelte sie in Klikien, Griechenland und Unteritalien an. Von da an war das Mittelmeer sozusagen ein Binnenmeer der Römer. Das änderte sich erst wieder mit dem Zusammenbruch des Römischen Reiches. Heidrun Derks:

„Und dann haben wir eben auch wieder eine Situation, wo ein starker Staat verschwindet, wo ein starker Staat so geschwächt ist, dass im Grunde neue Mächte da reindrücken, die aber noch richtig ausgelotet haben, wer denn jetzt von ihnen sozusagen das finale Wort hat. Und in diesem Gerangel haben dann eben auch die Piraten wieder ihren Ort und ihre Chance.“

Im Römischen Reich war das Mittelmeer ein sicherer und geschlossener Hafen, wie Cicero genannt hatte. Doch mit dem Ende Roms begann eine Zeit der politischen Wirren – auch auf dem Meer.

(O-Ton Meeresrauschen)


Autor: Dirk Eckert

Quelle: http://www.swr.de/swr2/wissen/piraten-in-der-antike/-/id=661224/did=17378508/nid=661224/1surbvs/index.html

MP3: http://mp3-download.swr.de/swr2/impuls/beitraege/2016/04/29-schon-julius-caesar-entfuehrt.12844s.mp3