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UN-Soldaten? Klar, das sind die mit den blauen Helmen, die Soldaten der Vereinten Nationen. Sie sind zwar bewaffnet, aber doch nur, um Frieden zu stiften. Die Blauhelme sind sozusagen bekannt als die Guten – als Soldaten, die sich zwischen die Fronten stellen. 1988 wurden sie dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Kraft ihrer Autorität als neutraler Akteur sollen sie dafür sorgen, dass die Waffen schweigen zwischen den Kriegsparteien. So etwa auf den Golanhöhen zwischen Israel und Syrien, zwischen Indien und Pakistan oder im geteilten Zypern.
Doch das Bild stimmt so nicht mehr. Im Kongo gibt es derzeit eine UN-Mission, zu der erstmals auch eine Interventionsbrigade gehört. Der Hintergrund: Mehrere dutzend Milizen machen seit Jahrzehnten den Osten des zentralafrikanischen Landes unsicher. Am bekanntesten sind die FDLR, die ADF und die inzwischen geschlagene M23-Miliz. Mit insgesamt 20.000 Mann soll die unter dem Namen MONUSCO geführte UN-Mission gegen die Rebellen vorgehen beziehungsweise die Armee des Kongo dabei unterstützen.
MONUSCO ist damit der größte und mit 1,4 Milliarden Dollar pro Jahr teuerste derzeit laufende UN-Einsatz. Laut Resolution 2098 des Sicherheitsrates hat die UN-Truppe auch ein robustes Mandat zur Friedenserzwingung. Seither können die UN-Soldaten offensiv und militärisch gegen Milizen vorgehen. Und sie tun dies auch, wie der Leiter der MONUSCO, der deutsche Diplomat Martin Kobler, bestätigt:
O-Ton Kobler
„Wir haben ein Mandat, bewaffnete Gruppen offensiv, wie die Resolution des Sicherheitsrates sagt, zu neutralisieren. Und das bedeutet ganz praktisch, das kann auch richtig Krieg bedeuten. Bei den Kämpfen letztes Jahr gegen die M23-Rebellen sind unsere Artillerie und unsere Kampfhubschrauber zum Einsatz gekommen. Und das war letztlich entscheidend, dass am Ende die verbleibenden Kämpfer nach Uganda und nach Ruanda geflohen sind und in diesen Gebieten wirklich Frieden eingekehrt ist.“
Das oberste UN-Gremium hat dieses robuste Mandat am 28. März 2013 einstimmig beschlossen – was bemerkenswert ist, da doch in dieser Zeit der Sicherheitsrat etwa im Syrien-Konflikt tief gespalten war. Um ihr Mandat erfüllen zu können, verfügt die UN-Mission neben den regulären Soldaten auch über eine sogenannte Interventionsbrigade. Gestellt werden die rund 3.000 Soldaten von drei afrikanischen Ländern: von Südafrika, Tansania und Malawi. Die UN-Kampftruppe hat sich nach Ansicht von Martin Kobler bewährt. Er verweist auf den Sieg über die M23-Bewegung, eine Rebellengruppe vom Stamm der Tutsi. Nachdem sie zwischenzeitlich die Stadt Goma eingenommen hatte, wurde sie wieder vertrieben. Mittlerweile hat die Gruppe ihren Kampf für beendet erklärt. Martin Kobler erinnert sich:
O-Ton Kobler
„Goma wurde von M23-Rebellen angegriffen und wir haben dann wirklich mit den Mitteln, die wir haben, alles getan, dass diese M23-Rebellen militärisch besiegt werden. Das war ein richtiger Kampf, den hauptsächlich natürlich die kongolesische Armee geführt hat. Wir haben auch mitgekämpft. Das hat zu einer Situation geführt, dass Goma heute eine befreite, eine freie Stadt ist. Wenn Sie Goma vergleichen: jetzt und 2013, dann ist das ein Unterschied wie Tag und Nacht. Es gibt Wirtschaftsentwicklung, der Staat kontrolliert wieder weite Gebiete auch des Hinterlandes, der Flughafen konnte neu gebaut werden.“
Mit dem Militäreinsatz haben die Vereinten Nationen Neuland betreten. Der Einsatz im Kongo sei kein Präzedenzfall, hatten UN-Verantwortliche zwar betont. Doch natürlich kann und muss die UNO Lehren aus dem Einsatz ziehen, der ja noch andauert. Missionschef Kobler hat schon erste Empfehlungen:
O-Ton Kobler
„Eine Lehre, die man daraus ziehen muss: Man kann nicht sagen, ihr müsst hier kämpfen, sondern, wir brauchen dann auch Nachrichtendienste. Das haben wir, in beschränktem Umfang. Und wir haben uns da auch verbessert. Wir haben zum Beispiel Aufklärungsdrohnen, die wir einsetzen, die wirklich sehr gute Bilder von der Situation machen, die wir aber auch für die ganze Mission einsetzen, aber hauptsächlich auf militärischem Gebiet. Eine zweite wichtige Lehre ist: Man kann kämpfen, solange man will, aber solange man kein Nachfolgekonzept hat, solange man kein Konzept hat, wie man die bewaffneten Rebellen, die man besiegt hat, wieder in das soziale zivile Leben integriert, solange wird es im Osten des Kongo auch keinen Frieden geben.“
Gegenwärtig hat die UN-Mission außerdem immer wieder Probleme bei der Zusammenarbeit mit der kongolesischen Armee. In einem Operationsgebiet gehen die Streitkräfte jetzt ohne die UN-Soldaten gegen die anti-ruandische FDLR–Miliz vor. Die UN-Mission könne da nicht mitmachen, sagt Kobler, weil in letzter Minute Generäle ausgetauscht wurden, die sich nach UN-Erkenntnissen schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht haben. Mit ihnen könnten die Vereinten Nationen nicht zusammenarbeiten. Nadine Ansorg vom GIGA-Institut in Hamburg sieht hier das derzeit größte Problem der UN-Mission. Denn ohne die Entwaffnung der FDLR gebe es auch keinen Frieden im Kongo:
O-Ton Ansorg
„Somit ist eigentlich ein grundlegendes Ziel der MONUSCO und der Interventionsbrigade gescheitert, nämlich die Quelle der Unruhe, die Quelle der Unsicherheit, nämlich die FDLR-Rebellen, zu entwaffnen und zu besiegen. Von daher ist eigentlich die Bilanz bisher eher gemischt.“
Missionschef Kobler hofft allerdings immer noch auf eine Einigung mit der Regierung des Kongo. Mit dem erklärten Ziel, dass sich dann auch die UN-Soldaten am Kampf gegen die FDLR-Miliz beteiligen könnten. Die Mission zu beenden, wäre seiner Ansicht nach verfrüht. Laut UN-Resolution soll die Interventionsbrigade nämlich durch eine neue Schnelle Eingreiftruppe der kongolesischen Armee abgelöst werden. Dafür sei die Zeit aber noch nicht reif, argumentiert der UN-Diplomat. Kongo-Expertin Ansorg warnt ohnehin vor überzogenen Erwartungen:
O-Ton Ansorg
„Natürlich kann eine erste, kurzfristige Sicherheit durch eine Interventionsbrigade geschaffen werden. Aber es muss dann auf jeden Fall von Bedeutung sein, dass langfristig Institutionen geschaffen werden, die Sicherheit und ein Umfeld schaffen, in dem die Menschen in Frieden leben können. Von daher ist natürlich die Bekämpfung von Rebellen wirklich nur ein erster Schritt, um eine anfängliche Sicherheit zu schaffen. Aber langfristig müssen eben die tiefergehenden Probleme angegangen werden.“
Immerhin: Die Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden im Osten des Kongo sind offenbar derzeit besser als früher. Zwar gibt es immer noch die verschiedenen ethnischen Konflikte, ebenso Streit um Landrechte und Bodenschätze. Aber politisch zieht zumindest die internationale Staatengemeinschaft an einem Strang. Die Konferenz der Großen Seen, in der die betroffenen Länder sitzen, ist sich mittlerweile einig – ebenso der UN-Sicherheitsrat. Entsprechend ist der politische Druck auf die Nachbarländer Ruanda und Uganda gestiegen, die der Unterstützung bestimmter Rebellengruppen verdächtigt wurden. Das internationale Umfeld stimmt also. Vielleicht gelingt es tatsächlich, das Milizen-Unwesen in der Region dauerhaft zu beseitigen.
Autor: Dirk Eckert
Quelle: http://www.ndr.de/info/sendungen/streitkraefte_und_strategien/streitkraeftesendemanuskript518.pdf
MP3: http://media.ndr.de/download/podcasts/podcast2998/AU-20150320-1359-1342.mp3