Migration

EU-Gericht fordert mehr Datenschutz für Einwanderer

In Deutschland werden Ausländer in einer zentralen Datenbank erfasst. Flüchtlingsorganisationen kritisieren das seit Jahren als diskriminierend. Nun hat ihnen der Europäische Gerichtshof teilweise Recht gegegeben.

dw-world.de, 18.12.2008, http://www.dw-world.de/dw/article/0,,3881263,00.html

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Mehr als 200 Millionen Menschen weltweit sind Schätzungen zufolge derzeit Migranten: Geflohen vor Krieg und Armut, auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen, leben sie in fremden Ländern und oft ohne die vollen Menschen- und Bürgerrechte. Um das zu ändern, haben die Vereinten Nationen im Jahr 2000 den 18. Dezember zum Internationalen Tag der Migranten erklärt.

Deutschland ist nach einem Bericht der Internationalen Organisation für Migration (IOM) das wichtigste Zielland für Migranten in West- und Mitteleuropa. 10,1 Millionen Einwanderer leben demnach in der Bundesrepublik. Sie alle werden zentral erfasst beim Ausländerzentralregister in Köln – eine Praxis, die zumindest bei Bürgern aus anderen EU-Staaten teilweise rechtswidrig ist, wie am Dienstag (16.12.2008) der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg geurteilt hat.

Eine Datenbank mit 24 Millionen Datensätzen

Geklagt hatte ein Österreicher, der seit 1996 mit einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis in Deutschland lebt. Auch seine Daten wurden im Ausländerzentralregister gespeichert, das heute dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untersteht. Etwa 23,7 Millionen Datensätzen hat die Behörde inzwischen nach eigenen Angaben angesammelt, eine Information der Betroffenen über ihre Registrierung findet nur auf Anfrage statt. Eine Diskriminierung, fand der Kläger: Schließlich würden Deutsche nicht entsprechend erfasst. Der Europäische Gerichtshof gab ihm teilweise Recht. So dürfe die Bundesrepublik zwar grundsätzlich Personendaten über in Deutschland lebende Ausländer sammeln, entschied das Gericht. Diese dürften aber nur genutzt werden, sofern sie das Aufenthaltsrecht betreffen.

Die Datenbank des Ausländerzentralregisters wird allerdings auch zur Strafverfolgung benutzt oder zur Erstellung von Statistiken. Rund 6000 Behörden haben darauf Zugriff, darunter Polizei und Verfassungsschutz. Diese Praxis verstößt gegen das Diskriminierungsverbot in der EU, urteilte der Europäische Gerichtshof. Da es keine entsprechende Datenbank für Deutsche gebe, dürfe das Ausländerzentralregister nicht zu Fahndungszwecken genutzt werden. Und für die Erstellung von Statistiken sei es nicht notwendig, Namen zu speichern, so das Gericht.

Bedenken von Datenschützern

Flüchtlingshilfsorganisationen kritisieren das Ausländerzentralregister schon seit Jahren, weil dadurch ihrer Ansicht nach Ausländer diskriminiert werden. “Diese Form der Vorratshaltung von Daten ist verfassungswidrig”, sagt Karl Kopp, Mitarbeiter von “Pro Asyl”. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung müsse auch für Nicht-Deutsche gelten, fordert er.

Auch Datenschützer sehen die Behörde skeptisch. Im Jahr 2000 bekam das Ausländerzentralregister sogar den BigBrotherAward in der Kategorie “Lebenswerk”. Der Preis wird jedes Jahr an Firmen, Organisationen und Personen verliehen, die besonders gegen den Datenschutz verstoßen. Zentrale Ausländererfassung habe in Deutschland eine ungute Tradition, so die Datenschützer: Erstmals sei eine Ausländerzentralkartei 1938 mit der Ausländerpolizeiverordnung eingeführt worden. Heute diene die 1953 erneut eingerichtete Datenbank “vor allem anderen der Überwachung von AusländerInnen, um diese im Zweifel außer Landes schaffen zu können”, heißt es in der Preisbegründung.

Prüfung zugesagt

Das Bundesverwaltungsamt (BVA), das das Ausländerzentralregister betreibt, will nun die genaue Urteilsbegründung des Europäischen Gerichtshofes abwarten. “Sobald die Gründe vorgelegt werden, werden wir den hieraus erwachsenden Handlungsbedarf prüfen und erforderlichenfalls Maßnahmen einleiten”, sagt BVA-Sprecher Peter Faßbender.

“Pro Asyl”-Mitarbeiter Kopp fordert, dass das Ausländerzentralregister nur noch für aufenthaltsrechtliche Fragen genutzt wird. Außerdem müsse Transparenz hergestellt werden: Betroffene müssten wissen, welche Daten gespeichert werden und wann sie wieder gelöscht werden. An Dritte dürften die Daten keinesfalls weitergegeben werden.


Autor: Dirk Eckert

Quelle: http://www.dw-world.de/dw/article/0,,3881263,00.html