dw-world.de, 10.06.2008, http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,3398594,00.html
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Erster Weltkrieg, Irak, Vietnam – wo chemische Waffen eingesetzt wurden, haben sie entsetzliche Schäden verursacht. Seit 1997 die Chemiewaffenkonvention in Kraft ist, sind die gefährlichen Waffen international geächtet. Bis 2012 haben die Mitgliedsländer nun Zeit, ihre Bestände an Kampfgasen zu vernichten. Das wird zwar wohl nicht zu schaffen sein, schätzen Experten. Aber immerhin, es geht voran: Russland zum Beispiel legt am Dienstag (10.06.2008) den Grundstein für eine neue Anlage, um einen weiteren Teil seiner Bestände zu vernichten.
Zerstörung mit deutscher Hilfe
Ab Frühjahr 2009 sollen im westrussischen Potschep rund 7500 Tonnen Nervengas – Sarin, Soman und Vx – vernichtet werden. Die Anlage in Potschep ist die sechste von insgesamt sieben ihrer Art. Russland hatte 1997 40.000 Tonnen an chemischen Kampfstoffen deklariert – das weltweit größte Arsenal an solchen Waffen. Ein Viertel davon sei bereits vernichtet, sagte kürzlich der Chef des Moskauer Amtes für Chemiewaffen-Vernichtung, Waleri Kapaschin.
Die Anlage in Potschep wird von einer deutschen Firma gebaut, Deutschland unterstützt das mit 140 Millionen Euro. Auch das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung hilft Russland schon länger bei der chemischen Abrüstung. Auch bei der neuen Anlage in Potschep arbeitet die Behörde fachlich zu.
Die Hilfe haben die G8-Staaten Russland auf dem Gipfel in Kananaskis im Juni 2002 zugesagt. Im Rahmen der “Globalen Partnerschaft gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und -materialien” wollen die großen Acht über zehn Jahre hinweg bis zu 20 Milliarden US-Dollar aufbringen, um die Abrüstung zu unterstützen. Deutschland hat damals bis zu 1,5 Milliarden US-Dollar zugesagt.
Proteste in der Bevölkerung befürchtet
Zerstört werden die Chemischen Waffen direkt an dem Ort, wo sie gelagert sind. Alles andere wäre zu teuer und außerdem hoch gefährlich, sagt Stephan Robinson von der Organisation Green Cross. “Die Waffensysteme sind zum Teil sehr alt, die ältesten Waffen, die heute existieren, sind bis zu 60 Jahre alt. Sie sind darum praktisch nicht mehr transportabel ohne erhebliche Risiken.” Das werde in allen Ländern so gehalten.
Green Cross ist selbst in Russland tätig. Zwölf Büros unterhält die Organisation vor Ort an den verschiedenen Chemiewaffen-Standorten. Ihre Aufgabe ist es, zwischen Bevölkerung und Regierung zu vermitteln. Die Anwohner sind oft gar nicht erfreut, wenn sie erfahren, dass in ihrer direkten Nachbarschaft jahrelang C-Waffen gelagert wurden und jetzt vernichtet werden sollen, weiß Robinson.
1,5 Millionen Euro bekommt Green Cross im Jahr von westlichen Staaten. Die Funktion der Organisation sei es, “eine Atmosphäre zu schaffen, in der Chemiewaffen-Vernichtung überhaupt möglich wird”, sagt Robinson. “Wenn man nicht mit den Gemeinden arbeitet, riskiert man Fehlinvestitionen in Milliardenhöhe. Man kann eine fertige Anlage haben, die betriebsbereit ist und wegen öffentlichen Protesten nie arbeiten wird.”
Erfolg der Abrüstung
Chemiewaffen stehen damit möglicherweise kurz vor ihrer weltweiten Abschaffung. Anders als bei den Atomwaffen sind sogar die Großmächte bereit, ihre chemischen Arsenale zu leeren. “Mit dem Aufkommen der Atombombe wurde die Chemiewaffe ein sehr stumpfes Messer”, sagt Robinson.
Allerdings ist eine Handvoll Staaten der Chemiewaffenkonvention nicht beigetreten. Dazu gehören Ägypten, Israel und Syrien. Israel und Ägypten scheinen bereit, darüber zu reden, Syrien verweigere sich derzeit, sagt Abrüstungsexperte Stephan Robinson. Er freut sich trotzdem, wie gut – vom Nahen Osten ab gesehen – die Abrüstung bei den Chemischen Waffen funktioniert. “Wenn das geschafft wird, wird es das erste Mal sein, dass wir ein komplettes System von Massenvernichtungswaffen abgerüstet haben.”
Autor: Dirk Eckert
Quelle: http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,3398594,00.html