taz nrw, 30.12.2005, S. 4
Geschichte / Archäologie Köln taz nrw
Die Lotusblüten wirken beinahe verwelkt. Die Farben sind blass geworden. Mehr als 40 Jahre lag der lange, schmale Teppich mit den hakenkreuzähnlichen Ornamenten, wie man sie oft in der asiatischen Kunst findet, eher unbeachtet im Kölner Dom. Allerdings an prominenter Stelle: auf der obersten Stufe vor dem Hochaltar. Von hier aus zelebrieren die Geistlichen die Messe. Auch zwei Päpste, Johannes Paul II. und Benedikt XVI., standen schon auf dem rund fünf Meter langen und einen halben Meter breiten Teppich. Die Öffentlichkeit aber hat keinen Zutritt. Und doch sieht der Teppich etwas mitgenommen aus.
“Er ist in den 40 Jahren, die er bei uns liegt, bestimmt nie richtig gereinigt worden”, gibt Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner zu. Das will sie nun aber auf jeden Fall nachholen. Denn vor drei Wochen hat Adele Schlombs, die Direktorin des Museums für Ostasiatische Kunst in Köln, den Teppich begutachtet – und festgestellt, dass es sich dabei um einen klassischen chinesischen Gebetsteppich aus dem 18. Jahrhundert handelt. Aufgeteilt in zehn kleine Quadrate, bot er einst Platz für zehn buddhistische Mönche, die darauf dicht an dicht in einer Reihe saßen und beteten.
Aber davon hatte man in Köln bislang keinen Schimmer. Im Dom war er schlicht als “der chinesische Läufer” bekannt. Die Dombaumeisterin beteuert allerdings, dass der Teppich nicht einfach entdeckt wurde. “So unordentlich ist unser Haus nicht”, sagt Schock-Werner. “Wir wussten immer, dass es ein chinesischer Teppich ist, der dem Dom geschenkt wurde.” Nur eben, um was genau es sich da handelt, das wusste niemand.
Der Schenker war ein chinesischer Teppichhändler mit Namen Sammy Lee. Am 18. Oktober 1960 stiftete er den Teppich. Doch wie kommt eine Gebetsmatte in die Hände eines Teppichhändlers? Schlombs vermutet einen Zusammenhang mit der Kulturrevolution in China. Schon vor deren Beginn in den Sechzigerjahren sollten Bürger und Tempel ihre Kunstschätze abgeben. In der Folge gelangten viele chinesische Kostbarkeiten auf die westlichen Märkte.
“Das konnte man in den Siebzigerjahren bei Karstadt kaufen”, erinnert sich Schlombs. Auch Lee verkaufte nach Köln. Das Museum für Ostasiatische Kunst hat um 1960 herum drei klassische Teppiche von ihm erworben. Dass Sammy Lee auch einen Teppich gestiftet hat, und dabei ausgerechnet eine buddhistische Gebetsmatte für den Kölner Dom, hält Schlombs nicht für Zufall. “Da war sicher ein Hintergedanke dabei”: Auf dem Teppich sollte nach dem Willen des Stifters weiter gebetet werden.
Die chinesische Kostbarkeit ist nun bis zum 15. Januar in der Ausstellung “Glanz der Himmelssöhne. Kaiserliche Teppiche aus China” im Museum für Ostasiatische Kunst in Köln zu sehen. Danach soll er gereinigt und gefestigt werden und dann an seinen angestammten Platz im Dom zurückkehren. Dass es sich um ein Kultgerät aus einer anderen Weltreligion handelt, scheint die Katholiken nicht zu stören. Sie freuen sich über die plötzliche Wertsteigerung ihres “Läufers”. Auch wenn nicht in Zahlen gerechnet wird. “Wir wollen ihn nicht verkaufen”, beteuert Dombaumeisterin Schock-Werner.
Schlombs begrüßt es, dass der Teppich in den Dom zurückkehrt: Es sei nicht vernünftig, alles Wertvolle in Vitrinen zu verstecken, sagt sie. Der Öffentlichkeit ist der Teppich dann trotzdem nicht mehr zugänglich. Nur wenige Priester werden ihn dann noch sehen – und betreten. Und ab und an vielleicht ein Papst.
Bis 15. Januar 2006, Museum für Ostasiatische Kunst, Köln, Infos: 0221-9405180
Autor: DIRK ECKERT