taz nrw, 13.08.2005, S. 2
Innenpolitik Nordrhein-Westfalen taz nrw
Rhein-Sieg-Kreis II?
Im Rhein-Sieg-Kreis II liegt das Siebengebirge, das älteste Naturschutzgebirge Deutschlands. Vom Drachenfels, wo einst Siegfried den Drachen getötet haben soll, hat man einen hervorragenden Blick über das Rheintal. Der Wahlkreis umschließt die Stadt Bonn fast vollständig. Rechts des Rheines gehören etwa Sankt Augustin und Königswinter dazu, auf der linken Rheinseite unter anderem Meckenheim, Swisttal und Wachtberg.
Wer verteidigt den Wahlkreis?
Norbert Röttgen. Der 40-jährige Jurist sitzt seit 1994 für die CDU im Bundestag. Seit Anfang des Jahres ist er 1. Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion. Das verdankt er Angela Merkel, zu deren Umfeld er gerechnet wird. Die CDU-Chefin hatte ihn für den Posten vorgeschlagen, nachdem sie den bisherigen Amtsinhaber Volker Kauder zum Generalsekretär der Partei gemacht hatte. Im Falle eines CDU-Wahlsiegs im September dürfte die Karriere von Norbert Röttgen also steil bergauf gehen. Damit ja nichts schief geht, steht er auch noch auf Platz 5 der Landesliste.
Wer will den Wahlkreis?
Ulrike Merten. Die 53-jährige Kauffrau und Drogistin sitzt schon seit 1998 für die SPD im Bundestag, seit 2002 versucht sie, den Rhein-Sieg-Kreis II direkt zu holen. Bislang vergeblich. Merten ist Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag und eine strikte Befürworterin der Wehrpflicht. Denn Auslandseinsätze der Bundeswehr würden erst “durch Unterstützungsleistungen im Inland” möglich, argumentiert sie. Dazu leisteten die Wehrpflichtigen mit dem Grundwehrdienst “einen unverzichtbaren Beitrag”. Außerdem fördere die Wehrpflicht die “Identifikation mit dem Staat und seinen Streitkräften”.
Die großen Außenseiter?
Der Kandidat der Grünen, Robert de la Haye, Jahrgang 1951, arbeitet im Bundeswirtschaftsministerium und ist Mitglied im Stadtrat von Alfter. Die Linkspartei schickt den 57-jährigen Uwe Groeneveld ins Rennen – ein WASG-Mitglied, das vor kurzem nach fast 38 Jahren Mitgliedschaft aus der SPD ausgetreten ist. “Mein Vorbild und meine politische Orientierung bleibt Willy Brandt und das Godesberger Programm”, erklärte er als Begründung für seinen Austritt. Für die FDP kandidiert der 33-jährige Rechtsanwalt Carl Sonnenschein. Er tritt damit die Nachfolge von Andreas Pinkwart an. Der Landeschef der NRW-FDP hat sein Bundestagsmandat vor kurzem niedergelegt: Als Innovationsminister und stellvertretender Ministerpräsident hat er nun in Nordrhein-Westfalen genug zu tun.
Die taz-Prognose?
Robert de la Haye und Uwe Groeneveld fehlt die Absicherung über die Landesliste. Carl Sonnenschein steht nur auf Platz 25 der FDP-Landesliste. Die Liberalen im Rhein-Sieg-Kreis werden sich also daran gewöhnen müssen, keinen Abgeordneten mehr im Bundestag zu haben. Aber Röttgen und Merten kommen rein – so oder so.
Autor: DIRK ECKERT