Schuhabdruck am Körper

Kölner Staatsanwaltschaft weitet nach Todesfall Ermittlungen gegen Polizisten aus

junge Welt, 06.08.2002, S. 6

junge Welt

Die Staatsanwaltschaft Köln hat ihre Ermittlungen gegen die Kölner Polizei ausgeweitet. 13 Polizisten stehen jetzt unter Verdacht, den Kölner Stephan Neisius mißhandelt zu haben. Neisius war nach seiner Verhaftung mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert worden und dort nach zwei Wochen im Koma gestorben. Gegen elf Beamte wird wegen Körperverletzung im Amt ermittelt, gegen zwei weitere wegen unterlassener Hilfeleistung. Die Staatsanwaltschaft geht aber nach wie vor nur von einem »Kern von sechs Personen« als Tatverdächtigen aus. Oberstaatsanwältin Regine Appenrodt begründete gegenüber der Süddeutschen Zeitung die Ausweitung der Ermittlungen damit, daß es üblich sei, Personen als Beschuldigte und nicht als Zeugen zu vernehmen, da diese dann die Möglichkeit hätten, vom Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch zu machen.

Der 31jährige Neisius war am 11. Mai von der Polizei wegen Randalierens in seiner Wohnung verhaftet und auf die Polizeiwache gebracht worden. Später im Krankenhaus stellten Ärzte zahlreiche Verletzungen fest, darunter ein »Hämatom, nach Art eines Schuhsohlenabdruckes«. Als der Mann nach zwei Wochen im Krankenhaus starb, wurde das Institut für Rechtsmedizin der Universität zu Köln hinzugezogen, um die Todesursache zu klären. Durch das nun vorliegende rechtsmedizinische Gutachten sieht sich die Polizei entlastet. Demnach hat die Gewalt der Polizisten gegen Neisius – Zeugen zufolge sollen sie den 31jährigen getreten und geschlagen haben – keine tödlichen Verletzungen hervorgerufen.

Neisius sei psychisch vorerkrankt gewesen und ist, wie Polizei und Staatsanwaltschaft zusammenfassen, »an den Folgen eines hypoxischen Hirnschadens auf der Grundlage einer vorausgegangenen Belastungsreaktion mit plötzlichem Herz- und Kreislaufversagen« gestorben. Nach dem vorliegenden Gutachten ist zwar nicht auszuschließen, daß dieser Anspannungs- und Streßzustand durch die Handlungsweisen der Polizeibeamten verstärkt worden und aufrechterhalten worden sein könnte. Auf alle Fälle aber sei, so die Gutachter, der spätere Todeseintritt »nicht vorhersehbar und damit nicht fahrlässig herbeigeführt«. Daher werde auch nur wegen Körperverletzung im Amt ermittelt.

Der Tod von Neisius am 24. Mai hatte für bundesweites Aufsehen gesorgt. Erste Untersuchungen machten eklatante Versäumnisse im Polizeiapparat deutlich. So lagen gegen einen der verdächtigen Polizisten schon zwölf Anzeigen wegen Körperverletzung im Amt vor. Interne Konsequenzen wurden daraus aber nicht gezogen. Auch die Spitze der Polizei war nicht informiert. Von »Schwachstellen beim Fluß führungsrelevanter Informationen« spricht eine Arbeitsgruppe, die die Kölner Bezirksregierung zum Fall Neisius eingesetzt hat. Die Arbeitsgruppe hält es außerdem für möglich, daß in der betroffenen Polizeiwache »Beamte, die im wohlverstandenen Sinne genau hinsehen und sich einsetzen (u.U. auch härter zugreifen) und zudem als dienstlich zuverlässig gelten, grundsätzlich eher positiv« gesehen würden.


Autor: Dirk Eckert