Für den Bahnhof beten

Obdachlose haben bei der Bahn AG nichts mehr zu suchen. Ein Jurist rät zum Kampf um den "Schutzraum"

taz köln, 23.05.2002, Nr. 100, S. 3

taz köln

Obdachlose werden immer häufiger aus dem Bahnhof gewiesen, zum Teil mit willkürlichen Begründungen wie „Du störst das Stadtbild!“ Zu diesem Ergebnis kam jüngst eine Studie des „AK Umbruch“, die am Dienstag im Domforum einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Deutlich wurde, wie „erfolgreich“ die rigide Politik der Platzverweise und Hausverbote bereits ist: Die meisten Obdachlosen folgten notgedrungen den Anweisungen der Ordnungskräfte.

Den Bahnhof als „Schutzraum für Obdachlose“ gibt es bald nicht mehr, bestätigte Alexander Milanes von der Universität Dortmund. Der neue Bahnhof sei ein „Konsumraum“, Obdachlose würden früher oder später als „nicht konsumfähig“ identifiziert und hinausgeschickt, beklagte er. Dass der Bahnhof auch nach der Privatisierung der Bahn nicht ausschließlich privater Raum sei, erläuterte der Kölner Rechtsanwalt Delef Hartmann. Erstens sei die Bahn ein Monopolbetrieb, deshalb müsse der Zugang gestattet sein. Zweitens habe ein Bahnhof „funktional gemischte Räume“, etwa private Geschäfte und öffentliches Verkehrsnetz. „Juristisch ist die Lage hochumstritten.“ Der Jurist riet, um den Bahnhof als öffentlichem Raum zu kämpfen: „Der Bahnhof ist nicht das Wohnzimmer der Bahn AG“.

Einig waren sich an diesem Abend alle Diskutanten, dass „die Öffentlichkeit“ informiert werden müsse. Dann gingen die Meinungen auseinander. „Die Politik ist gefordert“, „wir müssen die Bahn ins Boot holen“, „Prominenz“ müsse dabei sein, waren nur einige der Vorschläge. Auch OB Schramma hätten einige gerne im Domforum gesehen. Einer schlug sogar vor zu beten. Doch Pfarrer Uwe Becker mahnte: „Beten reicht hier nicht aus“.


Autor: Dirk Eckert