taz köln, 11.04.2002, Nr. 95, S. 3
Köln taz köln
Seit dieser Woche hat Köln eine unabhängige Beratungsstelle für Flüchtlinge. In dem Haus in Zollstock können sich Flüchtlinge zu Rechts- und Verfahrensfragen, aber auch bei Problemen mit Unterbringung und Versorgung beraten lassen. In dem Haus sind bereits Flüchtlinge untergebracht. Auch die Behörden sind in der „dezernatsübergreifenden Arbeitsgruppe“ vertreten: Ausländerbehörde, Sozialamt und Wohnungsamt. Flüchtlinge, die etwa einen Krankenschein oder Berechtigungsscheine für Taschengeld brauchen, müssen in die Vorgebirgsstrasse fahren.
„Kostenlos, unabhängig und vertraulich“ sei die neue Beratung, betont der Kölner Flüchtlingsrat. Er betreibt die Einrichtung. Sein Ziel hat er klar umschrieben: „Wir wollen Flüchtlingen zu ihrem Recht verhelfen.“ Deshalb ist er mit der Stadt Köln einen Vertrag eingegangen, übernimmt für die Stadt Beratungsaufgaben.
Eine schwierige Konstruktion: An der Politik der Stadt gegenüber Flüchtlingen lässt der Flüchtlingsrat nämlich kein gutes Haar. Er wirft der CDU/FDP-Ratsmehrheit eine „Kriminalisierungskampagne“ und „Abschreckungspolitik“ vor. Der Flüchtlingsrat wendet sich besonders gegen das Containerlager in Kalk, dessen Einrichtung seiner Auffassung nach „ausschließlich eine politische Entscheidung“ ist.
Bestätigt sieht er sich in diesen Einschätzungen durch jüngste Äußerungen von FDP-Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Breite. Der hofft, dass durch die Beratung mehr illegal Eingereiste Asyl beantragen. Dann müssten sie vom Bund statt von der Stadt unterhalten werden. Abgelehnte Asylbewerber könnten dann „schneller abgeschoben werden“. Die „konsequente Anwendung des Beratungskonzepts“ würde so weitere illegale Einwanderer davon abhalten, nach Köln zu kommen.
Breite kündigte weiter an, dass das Kalker Lager über den Sommer hinaus bestehen bleiben solle, da sich ein Mangel an Wohnheimplätzen abzeichne. Ursprünglich sollte das Lager nur 8 Monate bestehen bleiben. Diese Frist läuft am 30. Juni aus. Breite forderte außerdem, mehrfach straffällig gewordene, aber noch nicht strafmündige Kinder aus Flüchtlingsfamilien in geschlossenen Heimen unterzubringen – „zum Schutz vor deren Eltern, deren Umfeld, aber auch zum Schutz vor sich selber“.
Die FDP beruft sich auf Polizeiangaben. Danach ist etwa die Zahl der Wohnungseinbrüche bei Tage im Jahr 2001 gegenüber dem Vorjahr um 24 Prozent auf 3.455 gestiegen. Von 446 Tatverdächtigen waren 178 minderjährig. „Ein Großteil davon aus dem Umfeld von Wohnheimen“, so Polizeisprecher Wolfgang Beus.
Die FDP-Pläne stoßen unter anderem bei der PDS auf Kritik. Ratsfrau Sengül Senol meint: „Geschlossene Einrichtungen für Kinder und Jugendliche gibt es in den Altbundesländern nur noch in Bayern.“ Die FDP „frönt einem Rassismus, der anstecken und aufhetzen soll.“
„Leider nicht von Sachverstand, sondern offenbar fast ausschließlich von wahltaktischen Überlegungen geprägt“ nennt Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat, die FDP-Politik: „Ein wirrer Rundumschlag.“ Der Stadt wirft er vor, den Zuzug von unerlaubt Eingereisten begrenzen, diese zur Ausreise bringen oder sie in ein für sie womöglich nachteiligeres Asylverfahren hineindrängen zu wollen. „Die Entscheidung für das Lager hat nichts, aber auch rein gar nichts zu tun mit der tatsächlichen Anzahl freier Wohnkapazitäten“, so Prölß.
Trotz der städtischen Politik beziehungsweise gerade deswegen, wie Thomas Zitzmann sagt, der künftig in der Beratungsstelle arbeitet, hat sich der Kölner Flüchtlingsrat entschlossen, den Vertrag mit der Kommune einzugehen und in städtischen Räumen die Beratung aufzunehmen. Die Vorteile überwiegen, argumentiert der Flüchtlingsrat, „zur Zeit“ – das wird besonders betont. Für Zitzmann ist neben der Unabhängigkeit entscheidend, dass die Beratung „ergebnisoffen“ sein wird. Die Orientierung soll das Wohl des Flüchtlings, nicht das der Stadt sein.
Ein weiterer ausschlaggebender Punkt für den Flüchtlingsrat war die Lage der Beratungsstelle: Durch die räumliche Nähe zur „dezernatsübergreifenden Arbeitsgruppe“ könnten deren „Entscheidungen und Verhaltensweisen beobachtet, dokumentiert und ggfs. veröffentlicht werden“.
Um nicht Handlanger der Stadt bei der Flüchtlingspolitik zu werden, will der Flüchtlingsrat die Arbeit der Beratungsstelle regelmäßig überprüfen. Das sagen auch Zitzmann und Prölß: Wenn etwa die „ergebnisoffene, unabhängige Beratung“ gefährdet sei, müsse das Projekt überdacht werden. Mit der Option, den Vertrag mit der Stadt zu kündigen.
Autor: DIRK ECKERT