Ein Eisspeicher kühlt das neue Kölner Archiv

Leonardo (WDR5), 01.03.2018

Radio Reportage WDR

Gerade hat der Prozess begonnen wegen des Einsturzes des Kölner Stadtarchivs vor neun Jahren. Nicht weit entfernt vom Kölner Landgericht wird unterdessen ein neues Archiv gebaut. Herzstück des 83,6 Millionen Euro teuren Gebäudes ist ein Eisspeicher, der für verschiedene Temperaturen sorgt, damit das Archivgut wieder sachgerecht gelagert werden kann. Dirk Eckert hat sich die Anlage für uns angeschaut.

(Atmo Baustelle)

Laut und geschäftig geht es zu auf der Baustelle am Kölner Eifelwall. Unweit der Universität entsteht hier das neue Stadtarchiv. Ein moderner Bau für das historische Gedächtnis Kölns. Zurzeit restaurieren Archivmitarbeiter die vielen Bücher, Dokumente und Urkunden, die nach dem Einsturz des Archivs im Jahr 2009 gerettet werden konnten – darunter der Nobelpreis von Heinrich Böll. Am Eifelwall soll das zum Teil hunderte Jahre alte Material dann eine neue Heimat finden und endlich wieder sachgerecht gelagert werden. Wichtig ist dabei vor allem die richtige Temperatur. Akten zum Beispiel dürfen weder zu warm noch zu kalt gelagert werden, erklärt Bettina Schmidt-Czaia, die Leiterin des Historischen Archivs der Stadt Köln.

O-Ton Bettina Schmidt-Czaia:

„Da sagen wir, wir brauchen also Temperaturen zwischen 16 bis höchstens 22 Grad. Wärmer darf das nicht, kälter sollte es nicht. Und die Luftfeuchtigkeit darf also 40 bis 55 Prozent nicht überschreiten. Weil bei allem, was über 55 Prozent relative Luftfeuchtigkeit liegt, das Mikrobenwachstum steigt. Das heißt, man handelt sich dann Schimmelpilze ein.“

Für die richtige Temperatur sorgt im neuen Stadtarchiv ein sogenannter Eisspeicher. Das kreisrunde Betonbecken ist bereits im großen Innenhof des neuen Archivs verbaut und mit einem Durchmesser von über 16 und einer Höhe von viereinhalb Metern das Herzstück des neuen Gebäudes. Zusammen mit einer Brunnenanlage sorgt der Eisspeicher für das jeweils richtige Klima in den neuen Archivräumen. Der Eisspeicher fasst 400.000 Liter Wasser. Eine Wärmepumpe entzieht dem Wasser im Eisspeicher Wärme, bis es gefriert. Beim Frieren gibt das Wasser große Mengen Wärmeenergie ab, mit der geheizt werden kann. Im Frühjahr bis Sommer dient das erzeugte Eis zur Kühlung, sodass der Eisblock wieder schmilzt und dadurch Wärme aufnimmt. Der technische Projektleiter Andreas Heuer:

O-Ton Heuer:

„Wir haben also den Fall des Heizens, den Fall des Kühlens. Aber auch nicht nur in den klassischen Jahreszeiten, sondern auch im ständigen Wechsel. Und dieser ständige Wechsel bedingt natürlich, dass man eine Klimatechnik benötigt, die als eine Art Puffer dient. Und dafür ist der Eisspeicher sehr, sehr gut geeignet, weil er durch die latente Wärmespeicherung bei null Grad zum einen sehr viel Energiemengen speichern kann. Und auf der anderen Seite natürlich ein konstantes Temperaturniveau liefern kann. Bei null Grad gefrorenes Wasser gibt natürlich auch über einen ganz langen Zeitraum die null Grad kontinuierlich ab.“

Und das sei die perfekte Grundlage für die laufend notwendige Trocknungsleistung eines Archivs, sagt Andreas Heuer. Die Technik ist bereits erprobt, im Stadtarchiv von Stuttgart ist auch so ein Eisspeicher in Betrieb. Insgesamt kommt die Technik bisher aber nur wenig zum Einsatz, sagt Andreas Heuer.

O-Ton Heuer:

„Der Eisspeicher in der Funktion und auch in der Größe wird nur sehr, sehr selten eingesetzt, weil er auch nur sehr, sehr selten sinnvoll ist. Weil wir haben diese Ansprüche – gleichzeitiges Heizen, Kühlen – insbesondere nicht bei normalen Verwaltungsbauten etc. pp. Das sieht dann bei Archiven, wie es hier der Fall ist, natürlich dann anders aus.“

Von der neuen Technik profitiert auch das Rheinische Bildarchiv. Es zieht ebenfalls in das neue Gebäude ein. Die alten Räumlichkeiten seien zu klein geworden, berichtet Leiterin Johanna Gummlich. Gerade um die vielen analogen Fotos zu sichern, sei der Eisspeicher ideal:

O-Ton Johanna Gummlich:

„Die große Herausforderung ist das jüngere Fotomaterial. Ein Glasnegativ ist etwas, das sich sehr gut konservieren lässt und auch nicht sehr anspruchsvoll ist. Es darf nur nicht runterfallen. Aber das Farbmaterial, da kennt man diese typischen ins rote, ins blaue sich verändernden Farbstiche. Und da ist die beste Möglichkeit letztendlich die Tiefkühlung. Und das ist natürlich ein sehr teures Unterfangen. Und der Eisspeicher wird uns jetzt eine Art großen Kühlraum, Tiefkühlraum, eben dann ermöglichen. Das, was wir jetzt mit vielen, vielen Tiefkühltruhen erreichen können nur.“

Bis zu minus 18 Grad kalt werden die Archive für Fotos. Andere Räume wie die Büros der Mitarbeiter und Leseräume müssen auf bis zu 21 Grad reguliert werden. Denn im Kölner Stadtarchiv soll bald wieder historisch gearbeitet werden. Auch wenn es noch Jahrzehnte dauern wird, bis das geborgene Archivgut komplett restauriert ist, sagt Archivsleiterin Bettina Schmidt-Czaia:

O-Ton Bettina Schmidt-Czaia:

„Wenn man heute diese Klimawerte, die wir brauchen, generieren müsste, dann ginge das nur mit sehr viel elektrischem Aufwand, das ist nicht nachhaltig gedacht. Deshalb haben sich die Planer, die Fachplaner überlegt, wie man das möglichst kostengünstig gestalten kann und wie soll man sagen umweltfreundlich.“

Dank des Eisspeichers sollen die Energiekosten 30 Prozent niedriger liegen als bei gewöhnlichen Anlagen. Im eingestürzten Stadtarchiv war übrigens ganz anders geheizt und gekühlt worden. Durch spezielle Wände und Bautechniken sollte sich das Gebäude selbst regulieren, auf komplizierte Technik wurde bewusst verzichtet. Dieses damals sogenannte Kölner Modell gehe heute nicht mehr, sagen die Bauplaner: Das Wetter ist komplizierter geworden, gerade um lange Hitzeperioden zu überstehen, brauche es moderne Technik – wie eben den neuen Eisspeicher am Kölner Eifelwall.


Autor: Dirk Eckert

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