Mit der Spielzeug-Schaufel im Römerlager

In Haltern (Nordrhein-Westfalen) zeigen Archäologen den Kleinen, wie gegraben wird, wie Erde gesiebt wird, wie Funde dokumentiert werden.

Impuls (SWR2), 29.08.2016

Radio Reportage SWR2

O-Ton (o-ton-vitrine)

„Wenn wir dann gleich auf der Grabung sind, kann es sein, dass Ihr vielleicht auch so eine Scherbe findet. Das sammeln wir alles. Wie gesagt, Ihr könnt es nicht mit nach Hause nehmen. Das bleibt hier, weil es dann vielleicht auch irgendwann mal in der Vitrine landet. – Was ist eine Vitrine? – Das ist dieser Glaskasten hier.“

Geduldig erklärt Alexandra alles. Sie ist heute die Ausgrabungsleiterin, ihr Grabungsteam besteht diesmal aus zwei Mädchen und sechs Jungs im Grundschulalter. Früh übt sich, auch wer Archäologe werden will. Was liegt da näher, als ein echtes Römerlager auszugraben. Das geht auch in Deutschland, denn in Haltern am See hat man die Reste eines römischen Lagers gefunden. Doch bevor die Jung-Archäologen mit ihrer ersten antiken Erde in Berührung kommen, müssen sie erst noch mal die Schulbank drücken. Und das heißt: Ab ins Museum. Dort zeigt Alexandra, was Archäologen so alles finden:

O-Ton (o-ton-koerner):

„Entdeckt Ihr sonst noch was? – Weizenkörner! – Weizenkörner! Wirklich, was natürliches, was organisches. So was kann man auch finden. Die sind original, die sind 2000 Jahre alt. Und die haben sich erhalten, weil die verbrannt sind, weil die verkohlt sind. Sonst hätten die sich in der Erde zersetzt.“

Die Kleinen hören aufmerksam zu. Alexandra erklärt, wie sich antikes Holz als Verfärbung im Boden wiederfinden. Vor riesigen Karten und Modellen zeigt sie, wie das Lager einst aussah: Vier Tore, eine Mauer mit zwei Gräben davor. Im Innern keine Zelte, sondern feste Häuser, vor allem Verwaltungsgebäude und Kasernen für die Legionäre. Und Alexandra erzählt von den Römern, von Arminius und von der Varusschlacht. Das Römerlager in Haltern am See in Nordrhein-Westfalen war ein Vorposten Roms in Germanien.

Vor allem müssen die Jung-Archäologen aber lernen, was für Funde sie gleich erwarten. Das sind Tonscherben, Reste von Holzkohle, Schuhnägel, Metall und Glas sowie Münzen. Es werden aber auch viele Steine dabei sein, die weggeschmissen werden müssen, warnt Alexandra. Dann gibt sie allen ihr Grabungstagebuch. Dort sind Daten wie Datum, Uhrzeit, Ort und Wetter einzutragen, erklärt sie. Schließlich drückt Alexandra den überraschten Kindern auch noch einen Arbeitsvertrag in die Hand. Es geht schließlich um echte Ausgrabungen, und da muss auch rechtlich alles geklärt sein.

O-Ton (o-ton-verpflichtung):

„Dann müsst Ihr bitte einen Arbeitsvertrag auch ausfüllen. Und da steht dann ‚Arbeitsvertrag für’. Da muss dann Euer Name bitte rein. ‚Zur Mitarbeit bei den Ausgrabungen im römischen Hauptlager Aliso. Ich verpflichte mich, die Anweisungen der Grabungsleitung zu befolgen, mit allen überlassenen Arbeitsgeräten sorgfältig und vorsichtig umzugehen und meinen Arbeitsplatz genau so wieder zu verlassen, wie ich ihn vorgefunden habe.’“

Konzentriert schreiben die Kleinen ihre Namen in Druckbuchstaben auf das Papier. Jetzt wird es ernst. Alexandra trommelt ihr frisch rekrutiertes Grabungsteam zusammen:

O-Ton (o-ton-fragen)

„So habt Ihr noch Fragen hierzu? Dann gehen wir jetzt endlich den Archäologen helfen. Vorsichtig, wenn Ihr die Treppe wieder runtergeht.“

Und los geht’s, raus aus dem Museum, rüber zum Römerlager. Das kann man schon von weitem gut sehen. Das westliche Haupttor ist wieder aufgebaut worden, wie im Original vor zweitausend Jahren. In Haltern ist man sich sicher, dass es sich dabei um das Lager Aliso handelt, das antike Autoren erwähnen. Im Lager sitzen die Archäologen unter Plandach, vor ihnen ein Ausgrabungsloch. Alles wird genau dokumentiert, jede Bodenverfärbung registriert und aufgezeichnet.

Einige Meter weiter dann der Arbeitsplatz der Nachwuchs-Archäologen: Mehrere Haufen Erde warten darauf, gesiebt zu werden. Eifrig machen sich die Kleinen ans Werk.

O-Ton (o-ton-sieben)

Zwei teilen sich ein Sieb. Schnell kommen die ersten Funde:

O-Ton (o-ton-feuerstein):

„Feuerstein, Feuerstein. Wir haben einen Feuerstein.“

Oft sind es aber auch nur einfache Steine, die im Gitter hängen bleiben. Wie Alexandra es vorausgesagt hat:

O-Ton (o-ton-steinfund)

„Du kommst auch leider mit einem Stein, tut mir leid.“

Doch dabei bleibt es nicht. Nach und nach bleiben weitere Funde im Stahlgitter hängen. Holzkohle, Glasstücke, Feuersteinreste, Schuhnägel, Tonscherben, Metallstücke. Aber oft sind es doch nur Erdklumpen oder Steine. Der große Fund bleibt an diesem Tag zwar aus – kein Gold, keine römischen Münzen. Aber das tut der Begeisterung keinen Abbruch.

Weiter geht es nur nächsten und letzten Station – in die Werkstatt der Archäologen in einer Garage. Dort steht die Fundbearbeitung an. Die Funde werden sortiert. Holzkohle zu Holzkohle, Nagel zu Nagel, Scherbe zu Scherbe. Hier liegen auch Funde, die andere Archäologen gemacht haben. Nicht alles stammt aus der Antike:

O-Ton (o-ton-mark):

„Es kann natürlich sein, dass man auf Grabungen auch… Eure Eltern erinnern sich noch an diese Münze, Ihr eher nicht. Das ist die Rückseite von einer Mark. Sowas kann man natürlich auch auf Ausgrabungen finden. Das wird dann auch dokumentiert, das gehört auch mit dazu. Willst Du mal die deutsche Mark sehen? – Ja. Ich auch. – Nein, das ist eine ganz originale deutsche Mark.“

Zweieinhalb Stunden haben die Kleinen konzentriert zugehört, jetzt alle sind erschöpft. So viel anders als eine Führung für Erwachsene war der Kinderkurs gar nicht. Ganz schön viel, was die Grundschüler da über Archäologie gelernt haben. Alexandra verabschiedet sich noch.

O-Ton (o-ton-abschied-kurz):

„Dann wünsche ich Euch noch weiter schöne Ferien, kommt gut nach Hause. Tschüss.“


Autor: Dirk Eckert

MP3: http://mp3-download.swr.de/swr2/impuls/beitraege/2016/08/29-mit-der-spielzeug-schaufel-im-roemerlager.12844s.mp3