Evolutions-Unterricht – Bescheid wissen über Menschen und Affen

Impuls (SWR2), 06.07.2016

Radio SWR2

Dass der Mensch vom Affen abstammt, oder dass – genauer – beide gemeinsame Vorfahren haben, sollte sich inzwischen rumgesprochen haben. Und doch ist die dazugehörige Theorie, die Evolutionstheorie, wie sie von Charles Darwin begründet wurde, alles andere als unumstritten. Dass sich Pflanzen und Tiere irgendwie entwickelt haben, scheint dabei noch am ehesten akzeptiert zu werden. Aber dass auch der Mensch in diese Abstammungslinie gehört, ist offenbar für religiöse Fundamentalisten schwer zu verstehen.

Insgesamt wird die Evolutionstheorie in Deutschland aber heute in der Bevölkerung stärker akzeptiert als früher. 1970 stimmten weniger als 40 Prozent der Befragten in einer repräsentativen Umfrage der These zu, dass Mensch und Affe gemeinsame Vorfahren haben. 2009 waren es mehr als 60 Prozent. Damit bleiben aber immer noch knappe 40 Prozent, die die Evolutionstheorie bestreiten. Für Biologen ist das einigermaßen erstaunlich: Denn gerade in diesem Fach ist Evolutionstheorie wissenschaftlicher Alltag, eine Selbstverständlichkeit. Dittmar Graf, Professor für Biologiedidaktik an der Universität Gießen, setzt sich deshalb dafür ein, Schüler generell früher als bisher mit der Evolution vertraut zu machen, am besten schon in der Grundschule. Doch das ist schwierig umzusetzen, weiß er:

O-Ton Dittmar Graf (graf-lehrplan):

„Also zum einen gibt es natürlich so eine Art Beharrungsvermögen. Lehrpläne werden zwar erneuert immer mal wieder. Aber man beruft sich in vielen Teilen eben immer auf das, was schon war. Also es ist sehr viel einfacher, irgendetwas altes fortzuschreiben, zu modifizieren, als irgendein ganz neues Thema in eine bestimmte Altersstufe hineinzubekommen. Zum Beispiel, wie wir das wollen, Evolutionsunterricht in der Grundschule, in den Sachunterricht der Grundschule. Das ist ganz, ganz schwierig.“

Dabei kommt vieles, was sich aus der Evolutionstheorie ergibt, natürlich auch heute schon im Schulunterricht vor. In Erdkunde werden Fossilien behandelt, in Geschichte die Frühzeit des Menschen. Dinosaurier sind seit den Flintstones und Jurrasic Park sowieso im öffentlichen Bewusstsein, gerade Kinder lieben die Riesenechsen. Aber im Biologie-Unterricht werde Evolution oft erst kurz vor dem Schulabschluss unterrichtet, kritisiert Dittmar Graf.

O-Ton Dittmar Graf (graf-biologie):

„Wir haben die Botanik, wir haben die Zoologie, wir haben die Genetik, wir haben die Ökologie. Das sind alles Themen, die voneinander im Prinzip weit weg sind. Und erst durch das verknüpfende Band der Evolution, also das heißt, dass wir alle miteinander verwandt sind, dass wir alle im Laufe der Erdgeschichte uns aus gemeinsamen Vorfahren entwickelt haben. Nur wenn man das weiß, kann man diese vielen, vielen Einzelfakten auch richtig einschätzen und einordnen.“

Die Evolution als die große Erzählung, mit der möglichst früh begonnen werden sollte – wie geht das konkret? Das fragen sich auch angehende Lehrer und Lehrerinnen. Eine Lehramtsstudentin:

O-Ton Studentin (studentin-affen):

„Das hängt ja sicherlich auch von der Klasse ab, auch von der Schulstufe, wo man unterrichtet. Aber man würde dann vielleicht schon bei dem berühmten Beispiel anfangen, der Entwicklung quasi von affenähnlichen, die auf Bäume klettern, bis hin zum homo sapiens heute, im Zuge der Entwicklung der Arten.“

Wie Evolution im Biologie-Unterricht aussieht, davon hat Matthias schon klare Vorstellungen. Er hat gerade sein Lehramtsstudium abgeschlossen, Latein und Biologie. Wenn er die verschiedenen Wirbeltier-Klassen behandelt – zum Beispiel Reptilien, Amphibien und Fische – dann würde er eben erklären, wie sich die Lebewesen an ihren Lebensraum angepasst haben, erzählt er:

O-Ton Lehrer (matthias-rochen):

„Und wenn ich mir einen Rochen vorstelle, dann kann ich das sehr gut so erklären: Denn der liegt nun mal auf dem Boden, er hat sein Spritzloch nach oben, damit er keinen Sand reinbekommt, und er ist eben abgeflacht, damit er sich eingraben kann und so sich vor Feinden schützt. Diese Anpassung ist dann insofern sinnvoll und hat zum Überleben geführt, als dass er dann nicht entdeckt wird von Fressfeinden, die ihn dann, im Sand verborgen, nicht gefunden haben.“

All das klingt selbstverständlich, und doch lehnen vor allem religiöse Gruppierungen die Evolution immer noch ab. Umfragen zeigen Unterschiede zwischen den Religionen: In Deutschland wird die Evolution unter evangelischen und katholischen Christen inzwischen weitgehend akzeptiert, etwa weniger oft unter Muslimen. Meistens abgelehnt wird die Evolution dagegen unter Anhängern der Freikirchen, also unter fundamentalistischen Christen. Mit dem Kreationismus und dem Intelligent Design haben sie ihre eigenen Lehren in Konkurrenz zu Darwins Evolutionstheorie geschaffen, die einen Schöpfergott wieder aufleben lassen. Doch in den Lehrplan dürfte nur, was wissenschaftlich ist, betont Biologiedidaktiker Dittmar Graf:

O-Ton Dittmar Graf (graf-wissenschaft):

„Es ist ja nun mal so, dass spätestens seit den 70er Jahren jeder Unterricht wissenschaftsorientiert ist. Egal welches Fach, egal in welcher Schulstufe. Das heißt, unsere Leitlinie ist die Wissenschaft. Da gibt es eigentlich überhaupt keinen Streit. Also wenn man irgendetwas in den Unterricht, in den Sachfachunterricht einbringen will, was den wissenschaftlichen Kriterien nicht genügt, dann hat es in diesem Unterricht nichts verloren.“

Nötig ist die bessere Verankerung der Evolution wohl auch bei den künftigen Lehrerinnen und Lehrern. Denn in einer Umfrage unter Lehramtsstudierenden vor einigen Jahren kam heraus, dass 15 Prozent der Befragten die Evolution ablehnten. Und, was am meisten überraschte: Sogar 7 Prozent der späteren Biologie-Lehrer lehnen ab, was sie in ihrem Beruf unterrichten sollen.


Autor: Dirk Eckert

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