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Alle Schiffe, die aus Asien kommend durch den Suez-Kanal wollen, müssen den Weg durch die Meerenge von Bab al-Mandab zwischen dem Golf von Aden und dem Roten Meer nehmen. Und genau hier, am Horn von Afrika, liegt Dschibuti. Das kleine Land, das erst 1977 von Frankreich unabhängig wurde, hat sich zum Sammelpunkt für Militärs aus aller Welt entwickelt.
Ursprünglich waren es nur die Franzosen, die hier einen Stützpunkt hatten. Inzwischen sind die USA dort, Japaner und Chinesen haben ebenfalls eigene Basen. Eine derartige Konzentration von Militärstützpunkten ist weltweit einzigartig. Auch die EU-Mission ATALANTA, die die Piraterie vor der Küste Somalias bekämpft, hat hier ihre logistische Basis. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen nutzt den Hafen für Lebensmitteltransporte nach Afrika. Und Dschibuti ist auch wichtig als Umschlagplatz für die Handelsschifffahrt, sagt Martin Böll, Korrespondent der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Germany Trade & Invest:
O-Ton Böll
„Der große Vorteil von Dschibuti ist seine strategische Lage. Also, strategischer geht es nicht mehr. Jemen hat versucht, das gleiche Geschäft zu machen. Aber Jemen hat im Moment große Probleme, wie wir alle wissen. Oder dann gibt es Salala ganz im Süden von Oman, die auch dieses Umschlaggeschäft machen. Aber Dschibuti ist halt hervorragend positioniert.“
Vor allem seine Lage an einem der wichtigsten Schiffsverkehrswege der Welt macht das Land so beliebt. Ökonomisch boomt das kleine Land, das kaum natürliche Ressourcen hat, weniger als eine Millionen Einwohner zählt und flächenmäßig etwa so groß ist wie Mecklenburg-Vorpommern. Dazu trägt nicht zuletzt auch das Geschäft mit den Militärstützpunkten bei, sagt Martin Böll:
O-Ton Böll
„Dschibuti hat eine Wirtschaft, die jedes Jahr um sechs bis sieben Prozent wächst, real. Und der Grund dafür ist ganz klar der Hafen. Und das ist einmal in aller-, allererster Linie der Umschlag für Äthiopien, weil Äthiopien boomt. Und erst in zweiter Linie kommt dann hinzu, dass man sozusagen Container umschlägt auch für andere Destinationen. Und das weitere Standbein ist natürlich auch die Militärpräsenz anderer Staaten. Das heißt, Dschibuti verdient ganz gut an der Vermietung und an Dienstleistungen für diese Militärstützpunkte.“
Der Vorteil für die Militärs: Krisenländer wie Jemen und Somalia sind nicht weit entfernt. Von Dschibuti aus werden Einsätze gegen die Piraten auf See durchgeführt, aber auch Drohneneinsätze gegen Islamisten an Land. Als eines der wenigen Länder in der Region ist Dschibuti politisch stabil. Erst kürzlich wurde Ismail Omar Guelleh als Präsident wiedergewählt. Nicole Hirt, Afrika-Expertin am Hamburger GIGA-Institut für Afrika-Studien.
O-Ton Hirt
„Vor ihm gab es nach der Unabhängigkeit in den 70er Jahren nur einen einzigen anderen Präsidenten, das war sein Onkel. Also, die Regierung liegt praktisch in den Händen eines Familienclans.“
Die extrem schwache Opposition hatte die Wahl als Maskerade kritisiert. Aber das stört weder ausländische Militärs noch Wirtschaft, die Dschibuti als Basis brauchen. Die USA zum Beispiel: Kein anderes afrikanisches Land hat den Vereinigten Staaten bislang erlaubt, einen Militärstützpunkt zu errichten. Wie wichtig das amerikanische Camp Lemonnier in Dschibuti für die USA ist, wurde am 5. Mai 2014 in Washington deutlich. Während des Besuchs von Präsident Ismail Omar Guelleh bei US-Präsident Barack Obama, wurde der Pachtvertrag um zehn Jahre verlängert. Gleichzeitig stieg die Pachtgebühr von 30 Millionen Dollar im Jahr auf 63 Millionen Dollar. Außerdem sagte Obama noch sieben Millionen Dollar Entwicklungshilfe zu. Der US-Präsident:
O-Ton Obama (overvoice)
„Schlussendlich ist das eine wichtige Einrichtung, die wir in Dschibuti betreiben. Das könnten wir nicht ohne das Einverständnis des Präsidenten. Wir sind dankbar, dass er einer dauerhaften Präsenz dort zustimmt. Wir wollen die Zusammenarbeit vertiefen. Zum Nutzen der Bürger von Dschibuti und der Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika.“
Auch China errichtet inzwischen einen Stützpunkt in Dschibuti. Er dient nach Angaben der Regierung in Peking vor allem als logistische Drehscheibe. Von dort aus soll die chinesische Marine Schiffe am Horn von Afrika eskortieren, Peacekeeping-Operationen durchführen und humanitäre Hilfe leisten. Für China ist Dschibuti nur eine Etappe in einer viel größeren Reihe von Stützpunkten, die quasi als maritime Seidenstraße China mit Europa verbinden soll. Den Boden dafür hatte China mit einer Reihe von Wirtschaftsverträgen bereitet. Es hält einen Anteil von 23,5 Prozent am Hafen von Dschibuti. Außerdem bauen die Chinesen eine Hochspannungsleitung für den Stromimport aus Äthiopien sowie eine Eisenbahnlinie.
Und auch Saudi-Arabien verhandelt angeblich gerade über einen Stützpunkt. Denn Dschibuti ist nicht nur ein Umschlagplatz für den Warenverkehr, sondern auch ein direkter Nachbar des Jemen. Dort führt Riad gerade Krieg gegen die schiitischen Houthi-Rebellen. Doch die Saudis haben weitergehende Ziele. Christian Koch vom Gulf Research Center in Genf:
O-Ton Koch
„Dschibuti ist nicht weit von Jemen entfernt, und die arabischen Golfstaaten sind natürlich jetzt im Moment sehr daran interessiert, auch hier zum Beispiel Iran weiterhin einzudämmen. Iran hat sich ja auch schon in Eritrea ein bisschen ausgeweitet und hat von dort versucht, Stützpunkte aufzubauen. Da sieht man eben Dschibuti wiederum auch als ein Land, mit dem man dort zusammenarbeiten kann, um so zu versuchen, auch den Iran einzudämmen. Außerdem ist Dschibuti ja auch ein Mitglied der Arabischen Liga, also wird es auch als Mitgliedstaat und Freund der Araber angesehen.“
Auch Frankreich ist als ehemalige Kolonialmacht mit Soldaten in Dschibuti. Mit etwa 2.100 Soldaten ist es der größte französische Truppenstandort in Afrika. Und im Mai 2009 kamen die ersten japanischen Soldaten in das US-Camp, um sich am Kampf gegen die Piraterie zu beteiligen. 2011 beschloss die japanische Regierung dann, dauerhaft 180 Marine-Soldaten zu stationieren. Japan hatte damit seinen eigenen Stützpunkt in Dschibuti, der nach Angaben der Regierung jährlich 30 Millionen Dollar Pacht kostet.
Die Bevölkerung hat von solchen Investitionen bislang recht wenig. Die Arbeitslosigkeit ist hoch. Die Militärstützpunkte werden von ausländischem Personal gebaut und betrieben. Die Afrika-Expertin Nicole Hirt:
O-Ton Hirt
„Es werden kaum Arbeitsplätze geschaffen, und im Prinzip fließen Gelder in das Land, die in der Regierungsführung hängen bleiben, aber es sickert wenig durch zu der Bevölkerung.“
Allerdings steht die Konkurrenz schon in den Startlöchern, was den Hafen als Umschlagplatz angeht. Zuletzt hat Saudi-Arabien mit seinem Reformprogramm „Vision 2030“ verkündet, das Land wolle selbst ein strategischer Warenumschlagplatz werden. Die Saudis versuchen auf diese Weise, vom Ölexport weitgehend unabhängig zu werden. Im Moment aber hat Dschibuti als eine Art militärisch-ökonomische Schweiz Ostafrikas eine einzigartige Position inne.
Die Präsenz westlicher Militärs macht Dschibuti zwar auch zum Anschlagsziel für Islamisten. So verübten zwei Selbstmordattentäter 2014 einen Anschlag, die wohl aus Somalia kamen.
Aber die ausländischen Soldaten bringen auch Geld. Die Frage ist allerdings, ob die USA und China, die sich im Südchinesischen Meer argwöhnisch gegenüberstehen, in Dschibuti auf Dauer friedlich koexistieren können. Zwar brauchen Washington und Peking das Land sowohl als Umschlagplatz als auch zur Machtprojektion nach Afrika hinein. Aber dass es zwischen beiden zu Konflikten kommen könnte, zeigt der Fall Russland: Denn auch Moskau hatte sich am Kampf gegen die Piraterie beteiligt. Und es bemühte sich ebenfalls um eine militärische Präsenz in Dschibuti. Doch nachdem der Pachtvertrag mit den USA verlängert worden war, erteilte Dschibuti den Russen eine Absage – nach eigenen Angaben, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Es ist eben doch ein Balanceakt, den Dschibuti gerade betreibt.
Autor: Dirk Eckert
Quelle: http://www.ndr.de/info/sendungen/streitkraefte_und_strategien/streitkraeftesendemanuskript584.pdf
MP3: http://media.ndr.de/download/podcasts/podcast2998/AU-20160617-1218-2700.mp3