Militärs als Entwicklungshelfer? Neues US-Regionalkommando für Afrika einsatzbereit

Streitkräfte und Strategien (NDR Info), 20.09.2008

NDR Radio

Ausgerechnet Stuttgart. In der baden-württembergischen Landeshauptstadt wird künftig die US-Militärpolitik für Afrika gemacht. Am 1. Oktober nimmt dort AFRICOM als neues Regionalkommando der Streitkräfte der Vereinigten Staaten offiziell seine Arbeit auf. Bis zu 1.300 Mitarbeiter werden künftig unter dem Kommando von General William E. Ward fast alle Operationen des amerikanischen Militärs auf dem Kontinent planen und durchführen. Lediglich Ägypten untersteht wie gehabt dem Central Command CENTCOM.

Gedacht war es anders: Ursprünglich sollte AFRICOM in Afrika aufgebaut werden. Doch dort wurden die Pentagon-Pläne nicht gut aufgenommen. Die afrikanischen Staaten fürchteten einen neuen amerikanischen Imperialismus und Kolonialismus. Dabei hatte US-Präsident George W. Bush noch bei seiner Afrika-Reise im Februar versucht, die Gemüter zu beruhigen. In Ghana warb er für das neue Militär-Kommando:

O-Ton George W. Bush (overvoice)

„Die Kommando-Struktur wird dazu dienen, afrikanischen Staaten militärische Unterstützung zu bieten, so dass sie besser in der Lage sind, afrikanische Konflikte selbst zu bewältigen. Etwa durch die Ausbildung von Peacekeeping-Soldaten.”

Doch das Werben war vergeblich. Offenbar wollen sich die afrikanischen Staaten nicht zu fest an die USA binden. Wegen seiner Vorkommen an Rohstoffen wie Erdöl interessieren sich mehrere Großmächte zunehmend für den Kontinent. So wollen die USA den Anteil ihrer Ölimporte aus Afrika erhöhen. Nigeria ist bereits heute der fünftgrößte Öl-Lieferant der Vereinigten Staaten. Heute beziehen die USA etwa 13 Prozent ihres Öls aus Afrika, im Jahre 2013 sollen es 25 Prozent sein.

Neben den USA hat vor allem China in den vergangenen Jahren seine Wirtschaftsbeziehungen zu den afrikanischen Ländern stark ausgebaut. 20 Prozent aller chinesischen Ölimporte kommen heute aus Angola. Peking leistet außerdem Entwicklungshilfe, natürlich nicht ohne Hintergedanken, sagt der Sinologe Andreas Seifert:

O-Ton Andreas Seifert

„Es ist so, dass natürlich die Infrastrukturprogramme überall dort besonders gerne hingebaut werden, wo zum Beispiel auch eigene Interessen wiederum an Rohstoffen existieren. Die Verknüpfung von Entwicklungshilfe und Wirtschaftsförderung, auch chinesisch bezogener Wirtschaftsförderung, ist also eine Besonderheit in diesem chinesisch-afrikanischen Verhältnis.“

Die Vereinigten Staaten haben ihrerseits die Militärkooperation mit afrikanischen Staaten in den vergangenen Jahren ausgebaut. Mit den meisten Ländern am Golf von Guinea wurden „Partnerschaftsprogramme zur Sicherheit von Häfen und Bohrinseln“ abgeschlossen. Und im Rahmen der „Trans-Sahara Anti-Terror-Initiative“ schulen die USA lokale Sicherheitskräfte und versorgen sie mit neuen Waffen.

Solche Angebote wurden von vielen Ländern, darunter Algerien, Nigeria und Tschad, angenommen. Mit dem Versuch, AFRICOM in Afrika zu etablieren, sind die USA aber offenbar zu weit gegangen. Anders als geplant hat sich Washington deswegen entschieden, AFRICOM bis auf weiteres in Stuttgart zu belassen, nicht weit entfernt von dem ebenfalls dort angesiedelten EUROPEAN COMMAND. Dieses Militärkommando war bisher neben seinem Hauptaufgabengebiet Europa auch für den größten Teil Afrikas zuständig.

Gleichzeitig hat die US-Regierung eine Charme-Offensive gestartet. Anders als die anderen amerikanischen Regionalkommandos soll AFRICOM nicht nur militärische Aufgaben übernehmen. Laut eigener Aufgabenbeschreibung soll AFRICOM gemeinsam mit anderen US-Regierungsstellen und internationalen Partnern für Sicherheit und Stabilität in Afrika sorgen. Anders als traditionelle Kommandos, wird sich AFRICOM mehr auf Kriegsprävention als auf Kriegsführung konzentrieren, ist auf der Internetseite von AFRICOM zu lesen. Um das zu erreichen, soll das Kommando alle bisherigen Pentagon-Aktivitäten bündeln, die Afrika betreffen. Personell drückt sich der neue Ansatz unter anderem darin aus, dass einer der beiden Stellvertreter von AFRICOM-Chef Ward ein Nichtmilitär wird: Botschafterin Mary C. Yates.

Das neue Konzept wirft Fragen auf: Zum Beispiel, ob sich das Militär damit nicht in Aktivitäten einmischt, die vom Außenministerium, der US-Hilfsorganisation USAID und diversen Nichtregierungsorganisationen abgedeckt werden und von Soldaten gar nicht zu leisten sind? Droht gar eine Militarisierung der Entwicklungshilfe? Darüber wird inzwischen auch im amerikanischen Kongress diskutiert. So fragte der demokratische Abgeordnete John F. Tierney am 15. Juli in einer Anhörung zum Thema AFRICOM vor dem Unterausschuss für Nationale Sicherheit und Auswärtige Beziehungen:

O-Ton John F. Tierney (overvoice)

„Wenn sich afrikanische Sicherheit nicht einfach auf den Krieg gegen den Terror beschränkt, sondern wenn die wichtigsten Sicherheitsinteressen Afrikas Hunger, Krankheit, Bürgerkrieg, Gewaltherrschaft und Armut sind: Warum sollen wir dann rein militärisch helfen? Das Militär kann sicher auch eine Rolle spielen, aber warum helfen wir nicht mit mehr Diplomatie, mit Nichtregierungsorganisationen und internationaler Kooperation?“

Regierungsvertreter versuchten in der Anhörung, diese Bedenken zu zerstreuen: AFRICOM sei nur ein Instrument des Pentagons, um die US-Aktivitäten besser zu koordinieren, beteuerte die stellvertretende Befehlshaberin Mary C. Yates:

O-Ton Mary C. Yates (overvoice)

„Jede Botschaft in Afrika hat ein Team mit einem Botschafter an der Spitze, und wir haben fast überall USAID-Missionen und wir haben den Militärattaché. Unsere Aufgabe ist es, jetzt herauszufinden, wie die vorhandenen Aktivitäten zusammenpassen und was die Prioritäten unserer Politik in dem jeweiligen Land sind.“

AFRICOM werde nicht die Oberaufsicht über die gesamte Afrika-Politik der Vereinigten Staaten bekommen, versichert auch der Sprecher des Militärkommandos, Vince Crawley, gegenüber NDR Info:

O-Ton Vince Crawley (overvoice)

„Es ist wichtig zu verstehen, dass das Afrika-Kommando keine Führungsrolle übernimmt. Wir unterstützen sehr stark das Außenministerium bei seinen diplomatischen Aktivitäten in Afrika. Wir unterstützen unsere US Agency for International Development, die für die Entwicklungshilfe in Afrika zuständig ist. Das US-Militär hat hier keine Führungsrolle. Wir unterstützen vielmehr die bereits existierenden Programme der US-Regierung für Afrika.“

Das Pentagon hofft, dass solche Argumente auch die afrikanischen Länder überzeugen. Denn langfristig, das wurde bei der parlamentarischen Anhörung deutlich, soll AFRICOM auch in Afrika präsent sein. In Dschibuti, wo das US-Militär einen Stützpunkt hat, soll das Kommando aber nicht stationiert werden. Ziel der US-Regierung sei, in Afrika etwa drei bis vier Dependancen für AFRICOM aufzubauen, erklärte Theresa Whelan, eine Mitarbeiterin von Verteidigungsminister Robert Gates, auf Nachfrage der Abgeordneten. Als Militärstützpunkte für Truppen wollte sie diese Einrichtungen aber nicht verstanden wissen.


Autor: Dirk Eckert

MP3: http://195.185.185.83/ndr/mp3/podcast/ndrinfo_streitkraefteundstrategien/20080920_ndrinfo_streitkraefte.mp3