dw-world.de, 08.08.2008, http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,3547573,00.html
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Südossetien ist gerade dreieinhalb Mal so groß wie Berlin und galt bisher weltpolitisch als nicht besonders bedeutet. Doch nun droht das kleine Land an den Südhängen des Kaukasus mit seinen 3885 Quadratkilometern zum Zentrum eines größeren Krieges zwischen Russland und Georgien zu werden: Denn Georgiens Präsident Michail Saakaschwili setzte am Freitag (08.08.2008) die Armee ein, um das seit Jahren de facto unabhängige Gebiet wieder unter die Herrschaft der georgischen Zentralregierung in Tiflis zu bringen. Russland wiederum droht mit Vergeltung. Aus einem jahrelang schwelenden Konflikt ist ein heißer Krieg geworden.
Ein Zerfallskrieg
Der Konflikt begann mit dem Zerfall der Sowjetunion, als ehemalige Sowjetrepubliken wie Georgien nach Unabhängigkeit strebten. Den ethnischen Minderheiten in diesen Ländern gefiel das gar nicht. “Der georgische Nationalismus Anfang der 90er Jahre hat die ethnischen Minderheiten verschreckt”, sagt Uwe Halbach von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SPW). Die Folge: So gewann Georgien seine Unabhängigkeit, verlor aber gleichzeitig seine Minderheiten.
Ab 1989 erklärte sich Süd-Ossetien erst zur Autonomen Sowjetrepublik, dann zur Republik Südossetien. Es kam zu einem Krieg, der 1992 mit einem Waffenstillstand beendet wurde. Im selben Jahr erklärte sich auch Abchasien für souverän, auch hier kam es zum Krieg mit der Regierung in Tiflis, der 1994 mit einem Waffenstillstand beendet wurde.
Unversöhnliche Positionen
Seitdem sind Abchasien und Südossetien de facto selbstständig, ihre Regierungen werden aber international nicht anerkannt. Beide Länder unterhalten aber enge Beziehungen mit Russland. In den letzten Monaten kam es immer wieder zu kleineren Scharmützeln. Verschiedene Länder versuchten zu vermitteln. So flog auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier nach Georgien, um für einen Friedensplan zu werben. Das scheiterte, der Konflikt eskalierte weiter.
Eine Lösung des Konflikts gilt unter Experten als ausgesprochen schwierig – zumal die Großmächte USA und Russland darin verwickelt sind. Russland strebt nach Wiederherstellung der russischen Herrschaft im Kaukasus, fürchtet man in Georgien. “Russland kann sich nicht damit abfinden, dass gleich nach dem Zerfall der Sowjetunion Georgien einen prowestlichen Kurs eingeschlagen hat und schürt seit über fünfzehn Jahren territoriale Konflikte in einigen Teilen Georgiens”, sagt Alexander Kartozia, der ehemalige georgische Bildungsminister und Leiter der Nationalbibliothek, der heute an der Europa-Universität in Frankfurt/Oder lehrt.
Streitpunkt NATO-Beitritt
Außerdem wollen die USA Georgien in die NATO aufnehmen. Russland will aber verhindern, dass sich das atlantische Bündnis an seiner Südflanke ausbreitet. “Die Probleme haben sich verschärft mit der Forderung von Saakaschwili, dass Georgien in die NATO aufgenommen werden soll, – und mit der Anerkennung des Kosovo”, sagt Elfie Siegel, die viele Jahre unter anderem für die FAZ in Russland als Korrespondentin gearbeitet hat. Denn die ethnischen Minderheiten in Georgien würden sich heute auf das Beispiel des Kosovo berufen, der sich – mit Unterstützung des Westens – von Serbien abgespalten hat.
Wegen der russisch-amerkanischen Differenzen hat der UN-Sicherheitsrat auch keine gemeinsame Position zur Eskalation im Kaukasus gefunden, nachdem Georgien am Freitagmorgen mit der Rückeroberung Südossetiens begonnen hatten. Zwar warnten auch die USA und Russland vor einem Krieg. Doch als es im Sicherheitsrat ernst wurde, blockierten sich die Großmächte gegenseitig.
Autor: Dirk Eckert
Quelle: http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,3547573,00.html