Ende der Straflosigkeit? Die USA wollen Verbrechen von Mitarbeitern privater Militärfirmen ahnden

Streitkräfte und Strategien (NDR Info), 24.03.2007,

NDR Radio

Moderator:

Private Sicherheitsfirmen haben derzeit Hochkonjunktur. Allein im Irak sind mehrere zehntausend dieser „modernen Söldner“ für die US-Streitkräfte im Einsatz. Anders als reguläre Truppen operieren sie in einer rechtlichen Grauzone. Für Übergriffe und Exzesse sind sie bisher nicht zur Verantwortung gezogen worden. Das könnte sich jetzt aber ändern. Dirk Eckert weiß mehr:

Manuskript Dirk Eckert

Sie sichern Konvois, bilden irakische Einheiten aus, verhören Gefangene und bewachen Kasernen. Private Sicherheitsdienstleister gelten mittlerweile als das zweitgrößte Kontingent der USA und ihrer Verbündeten im Irak. Ihre Zahl geht in die Zehntausende, genaue Zahlen gibt es aber nicht. Sicherheitsunternehmen gehören damit zu den großen Gewinnern des Krieges im Irak, seit das Militär immer mehr Aufgaben auslagert.

Anders als ihre Kollegen in Uniform agieren die Privaten, meist ehemalige Militärangehörige, bisher weitgehend im rechtsfreien Raum. So waren zum Beispiel Angehörige zweier US-Firmen in den Folterskandal von Abu Ghraib verwickelt. Einige der beteiligten Soldaten sind mittlerweile verurteilt. Die Verhörspezialisten der Unternehmen CACI International aus Arlington sowie Titan Incorporate aus San Diego wurden dagegen bis heute nicht zur Verantwortung gezogen.

Irakische Behörden können, selbst wenn sie wollten, nicht ermitteln. Denn das US-Militär hat dafür gesorgt, dass ihre zivilen Subunternehmer nicht von der irakischen Justiz belangt werden können. Eine entsprechende Order hat die Übergangsregierung am 26. Juni 2003 erlassen. Fast auf den Tag genau ein Jahr später und einen Tag vor der Wiederherstellung der Souveränität wurde diese Order verlängert. Sie gilt im Irak, solange Koalitionstruppen im Land sind.

Theoretisch könnte die amerikanische Justiz etwaige Straftaten ihrer Staatsbürger verfolgen. Denn die so genannten Contractors unterstehen dem „Military Extraterritorial Jurisdiction Act“ aus dem Jahr 2000. Bisher führte das allerdings nicht zu einer Anklage – trotz bekannter Fälle wie Abu Ghraib.

Völkerrechtlich operieren die Sicherheitsfirmen ohnehin in einer Grauzone. Die 1989 verabschiedete, aber erst 2001 in Kraft getretene UN-Söldnerkonvention erfasst ihre Aktivitäten nur unzureichend. Denn moderne Sicherheits- und Militärdienstleister bieten in der Regel viel mehr als reine Söldnerdienste an. Die UNO will die Konvention deswegen überarbeiten und hat einen Sondergesandten dafür eingesetzt.

De facto genießen die Militärdienstleister im Irak bislang also Immunität. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat der US-Kongress das jetzt aber geändert. Im Rahmen von Militäroperationen sollen künftig nicht nur Soldaten, sondern auch Zivilisten unter den Uniform Code of Military Justice fallen, also der Militärjustiz unterstehen. Auf diese Weise soll die bisherige Ungleichheit zwischen Soldaten und ihren Unterstützern in Zivil beendet werden. Der Grund: US-Politiker hatten befürchtet, dass solche doppelten Standards langfristig die Moral der Soldaten untergraben. Bisher konnten Zivilisten der Militärjustiz nur im Rahmen eines erklärten Krieges unterstellt werden. Nun soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Kriege heute in aller Regel nicht mehr förmlich erklärt werden.

Mit der Gesetzesnovelle unterstehen private Militärfirmen allerdings auch künftig nicht der Rechtssprechung des Landes, in dem sie agieren. Auch die Zuständigkeit der amerikanischen Justiz ist nicht gestärkt. Vielmehr hat der US-Kongress einen bürgerrechtlich nicht unproblematischen Weg gewählt: Nicht-Militärangehörige werden der Militärjustiz unterworfen. Kritiker fürchten, dass die neue Gesetzeslage benutzt werden könnte, um etwa gegen unliebsame Journalisten vorzugehen. Experten wie Marc von Boemcken vom Bonner Konversionszentrum BICC halten diese Ausweiterung der Militärjustiz auf Sicherheitsdienstleister jedoch für eher unproblematisch, weil diese ja de facto ohnehin Kombattanten sind und deswegen als solche zu behandeln seien.

Anders die Bundesregierung. Sie hatte 2005 Bedenken geäußert, Zivilisten ggf. vor Militärgerichte zu stellen. In der Antwort auf eine Große Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion sah sie aber ihrerseits keinen Notwendigkeit, auf den Boom bei privaten Militärdienstleistern zu reagieren. Ihrer Auffassung nach reicht das bestehende Völkerrecht aus, um Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste, die Kriegsverbrechen begehen, strafrechtlich zu verfolgen. Wenn nicht der Tatortstaat oder das Heimatland zuständig sind, dann eben der Internationale Strafgerichtshof, so die Auffassung der damaligen rot-grünen Bundesregierung. Formal mag das korrekt sein. De facto führt diese Haltung aber dazu, dass Militärfirmen im rechtsfreien Raum agieren. Denn Staatsanwälte können in Kriegsgebieten schlecht ermitteln. Im Übrigen können einfache Verstöße gegen die Genfer Konventionen in Deutschland kaum verfolgt werden. Nur bei besonders schweren Taten wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen ist auch die deutsche Justiz seit dem Inkrafttreten des Völkerstrafgesetzbuchs im Jahr 2002 zuständig.

Die deutsche Haltung hat sich bis heute nicht geändert, trotz des Regierungswechsels. Inzwischen sind längst einige – wenn auch wenige – deutsche Sicherheitsunternehmen im Irak tätig. Im Jahr 2005 bewachte zum Beispiel die Lübecker Firma Bodyguard Akademie ein Ausbildungscamp der US-Armee. Wie der WDR berichtete, sollen bei Attacken auf das Lager auch Angreifer erschossen worden sein. Experten der Stiftung Wissenschaft und Politik, die die Bundesregierung berät, gingen im Übrigen schon vor zwei Jahren davon aus, dass aus Deutschland künftig mehr gewerbliche Sicherheits- und Militärdienstleistungen exportiert werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass Private Militärfirmen aus Deutschland keine Exportgenehmigung brauchen, wenn sie ihre Dienste im Ausland anbieten wollen. Die Bundesregierung hält das bislang für unnötig, weil der Bedarf angeblich nicht da ist. Wer aus Deutschland Waffen ausführen will, braucht eine Genehmigung. Militärische Dienstleistungen können dagegen ausgeführt werden, ohne dass diese Geschäfte überhaupt gemeldet werden müssen. Mit seiner Untätigkeit missachtet Deutschland auch Appelle der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Diese forderte schon 2003 alle Staaten auf, Militärdienstleister besser zu überwachen. Auch die Anti-Söldnerkonvention der Vereinten Nationen hat Deutschland nur unterzeichnet, bisher aber nicht ratifiziert.

Andere Länder sind da schon weiter. In den USA zum Beispiel brauchen Militärdienstleister eine Exportgenehmigung. Südafrika hat im vergangenen Jahr zu noch drastischeren Maßnahmen gegriffen: Im August 2006 verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das Südafrikanern grundsätzlich jegliche Söldnerdienste untersagt. Das Land zog damit Konsequenzen aus den zahlreichen afrikanischen Kriegen und Bürgerkriegen der letzen Jahre, an denen immer wieder ehemalige Armeeangehörige aus Südafrika als Söldner teilnahmen. Zuletzt macht der Fall Simbabwe Schlagzeilen. Im März 2004 waren auf dem Flughafen der Hauptstadt Harare 68 Söldner festgenommen worden, die einen Putsch in Äquatorialguinea geplant haben sollen. Die meisten von ihnen waren ehemalige südafrikanische Soldaten.

Sicherheitsdienstleistungen bleiben aber auch in Südafrika erlaubt. Ihr Export muss jedoch genehmigt werden. Rüstungsexperten fordern solche Gesetze auch für Deutschland. Mehr als bessere Kontrollen privater Sicherheitsdienstleister würde eine Genehmigungspflicht freilich nicht bewirken. Bestes Beispiel sind die USA. Auch dort muss der Export militärischer Dienstleistungen genehmigt werden. Den Erfolg der modernen Söldner hat das aber nicht gebremst.


Autor: Dirk Eckert