taz nrw, 16.11.2006, S. 2
Nordrhein-Westfalen Wirtschaft taz nrw
Es geht um Geld, viel Geld, das Otto Klohk entgangen ist. Insgesamt 156.000 Euro, verteilt über mehrere Jahre, wollte sein Arbeitgeber AgfaPhoto dem Betriebsingenieur zahlen, wenn er in den Vorruhestand geht. Doch 2005, kurz nachdem der heute 56-Jährige ausgeschieden war, meldete der Fotohersteller Insolvenz an. Die Pleite kam völlig überraschend, denn das Unternehmen war erst wenige Monate zuvor vom Mutterkonzern Agfa-Gevaert in die Selbstständigkeit entlassen worden. Alle Versuche, das Leverkusener Traditionsunternehmen noch zu retten, schlugen fehl. Die Produktion wurde eingestellt, die meisten Arbeitnehmer entlassen.
Für Otto Klohk, dessen Vorruhestandsvertrag von Agfa-Gevaert auf die AgfaPhoto übergegangen war, blieb kein Geld übrig. Wie viele seiner früheren Kollegen legte er deshalb nachträglich Widerspruch gegen die Ausgliederung der AgfaPhoto ein. Die ehemaligen Agfa-Mitarbeiter halten die Ausgliederung der AgfaPhoto heute für ein taktisches Manöver, das nur das Ziel hatte, billig Leute zu entlassen – vergleichbar mit dem Fall des kürzlich insolvent gegangenen Handyherstellers BenQ Mobile, der abgestoßenen Handysparte von Siemens.
Gestern gab das Landesarbeitsgericht Düsseldorf Klohk und sechs seiner ehemaligen Kollegen Recht und wies damit die Berufung von Agfa-Gevaert gegen entsprechende Urteile des Arbeitsgerichtes Solingen ab. Die Unterrichtung der Arbeitnehmer über die Ausgliederung der AgfaPhoto sei “fehlerhaft” gewesen, befand das Gericht. Vor allem seien die Arbeitnehmer nicht ausreichend über die Folgen informiert worden. Deshalb sei nachträglich noch Widerspruch möglich. Die sieben Fälle seien aber nicht verallgemeinerbar, warnte das Gericht. Es handele sich jeweils um Einzelfallentscheidungen.
Noch sind die Urteile nicht rechtskräftig. Das Landesarbeitsgericht hat Revision zugelassen. Gibt auch das Bundesarbeitsgericht den ehemaligen Agfa-Beschäftigten Recht, hätte das weitreichende Folgen: Alle Verträge zwischen Agfa-Gevaert und seinen Mitarbeitern bestünden damit fort und wären nie auf AgfaPhoto übergegangen. Der Fotohersteller müsste ehemalige Mitarbeiter wieder aufnehmen und sogar Lohn nachzahlen. Und Otto Klohk könnte endlich seinen Vorruhestand genießen: Agfa-Gevaert müsste einhalten, was es einst mit ihm vereinbart hatte.
Autor: DIRK ECKERT