taz nrw, 08.07.2006, S. 2
Geschichte / Archäologie Köln Nordrhein-Westfalen taz nrw
Als 1991 im Kaukasus der Unterkiefer eines Homo erectus gefunden wurde, war bald klar, dass es sich hier um eine Sensation handelte. Denn der Fund war 1,8 Millionen Jahre alt. Anders als bislang angenommen, lebten zu dieser Zeit offenbar schon Frühmenschen an der Schnittstelle zwischen Europa und Asien. Bis heute wurden am selben Ort, in Dmanisi im Südkaukasus, Reste von insgesamt sieben Hominiden gefunden.
Ein Schädel, 1999 ausgegraben, ist ab heute in der Ausstellung “Roots – Wurzeln der Menschheit” in Bonn zu sehen. Anlass ist der Entdeckung des Neandertalers vor 150 Jahren, eines Nachfahren des Homo erectus. Der georgische Kulturminister Giorgi Gabshvili brachte “D2282”, wie die Nummer lautet, Ende Juni persönlich ins Rheinische Landesmuseum.
Die Funde von Dmanisi beweisen nicht nur, dass Homo erectus Afrika weit früher als angenommen verlassen hat. Er hatte auch ein kleineres Gehirn als vermutet. Bislang war die Wissenschaft davon ausgegangen, dass die ersten Hominiden Afrika erst ab einem Gehirnvolumen von über 800 Kubikzentimetern verlassen konnten. “D2282” hatte nur 650 Kubikzentimeter.
Manche Forscher gehen sogar soweit, wegen des hohen Alters der Funde von Dmanisi die “Out of Africa”-Theorie in Frage zu stellen, wonach der Homo erectus, wie später auch Homo sapiens, aus Afrika kam. Sie vermuten, dass der Ursprung der Menschheit nicht nur in Afrika liegt, sondern auch im Süden Eurasiens. Dieses “multiregionale Modell” verwirft das Rheinische Landesmuseum jedoch. Die Vorfahren des Homo erectus – Homo habilis und der Homo rudolfensis – gebe es nur in Afrika, argumentiert Michael Schmauder vom Museum.
Weil der Weg aus Afrika nach Europa die Menschen wohl am Schwarzen Meer vorbei durch das heutige Georgien geführt hat, das sich gerne zum Westen rechnet, wird “D2282” jetzt auch als “erster Europäer” gefeiert. Doch weder “D2282” noch seine Zeitgenossen waren auf dem Weg nach Europa. “Die ersten Menschen kamen deutlich später in Zentraleuropa an”, sagt Schmauder. Er geht davon aus, dass die Hominiden vor 1,8 Millionen Jahren den Kaukasus nicht überschritten haben. Gestorben sind sie wohl im Südkaukasus. Also in Asien.
Autor: DIRK ECKERT