taz nrw, 24.05.2006, S. 2
Bildung, Hochschule Nordrhein-Westfalen taz nrw
Besetzte Rektorate scheinen Andreas Pinkwart nicht sehr zu beeindrucken. Die Proteste an den Hochschulen seien doch “auf einen sehr kleinen Kreis beschränkt”, erklärte der NRW-Wissenschaftsminister gestern demonstrativ gelassen. “Die große Zahl der Studierenden” halte sein Studiengebührenmodell hingegen für “fair und sozialverträglich”.
Wie dieses Modell genau funktionieren soll, erklärte der FDP-Minister gestern in Düsseldorf. Künftig können Studierende, wenn sie Studiengebühren entrichten müssen, aber nicht sofort bezahlen können, bei der NRW.Bank, der Förderbank von Land und Landschaftsverbänden, ein Darlehen aufnehmen. Laut Pinkwart haben gegenwärtig 17 von insgesamt 33 NRW-Hochschulen bereits eine Grundsatzentscheidung pro Studiengebühren getroffen.
Anspruch auf ein Darlehen hat jeder, “unabhängig vom Einkommen oder dem der Eltern”, wie Pinkwart betonte. Allerdings nur für begrenzte Zeit. Beim Bachelor gilt: Regelstudienzeit plus vier Semester, beim Masterstudiengang nur plus zwei Semester. Die Zinsen sind variabel, bis 2008 sollen sie bei 5,9 Prozent liegen. Da sie nur auf den Darlehensbetrag berechnet würden und keine zusätzlichen Gebühren anfielen, sei der Effektivzins “in jedem Fall niedriger als der Nominalzins”, verspricht die Bank.
Das Darlehen muss zwei Jahre nach Studienende inklusive Zinsen in Raten zurückgezahlt werden. Zur Kasse gebeten wird aber nur, wer mindestens 960 Euro netto (Ledige) verdient. Außerdem muss niemand mehr als 10.000 Euro – BaföG-Schulden, Gebühren-Darlehen und Zinsen zusammengerechnet – bezahlen. “Ein Großteil der Bafög-Empfänger muss das Darlehen gar nicht oder nur zum Teil zurückzahlen”, schätzt Pinkwart deswegen.
Etwa 20 Prozent der rund 450.000 Studierenden werde wohl ein Darlehen der NRW.Bank aufnehmen, schätzt deren Vorstandsvorsitzender Ulrich Schröder. Können oder müssen sie ihr Darlehen nicht zurückzahlen, springt ein Ausfallfonds ein. Die Hochschulen müssen dort 23 Prozent ihrer gesamten Einnahmen aus Studiengebühren einzahlen.
Wegen dieser Regelung sieht die Opposition im Düsseldorfer Landtag die NRW.Bank als große Gewinnerin des Darlehensmodells. Wenn 400.000 Studierende 1.000 Euro pro Jahr Gebühren zahlen, fließen 92 Millionen Euro in den Fonds, rechnete der hochschulpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Karl Schultheis, vor. Und zwar unabhängig davon, ob und in welcher Höhe Darlehen aufgenommen oder zurückgezahlt werden. “Hier werden den Studierenden, ihren Eltern und den Hochschulen unter dem Deckmantel eines sozialverträglichen Förderprogramms Millionenbeträge aus den Taschen gezogen”, kritisierte Schultheis. Ähnlich äußerten sich die Grünen. “Die NRW.Bank kassiert, ohne ein Risiko zu tragen.”
Autor: DIRK ECKERT