taz nrw, 31.10.2005, S. 2
Nordrhein-Westfalen taz nrw
Wer sich nicht mit Erstwohnsitz anmeldet, muss zahlen: Mehr als 40 Kommunen in Nordrhein-Westfalen verfahren mittlerweile nach diesem Prinzip. Mit der so genannten Zweitwohnungssteuer sollen die Bürger dazu gebracht werden, sich mit Erstwohnsitz zu melden. Nur dann erhalten die Kommunen 800 Euro pro Kopf und Bürger. Mit einer Musterklage wollen nun Kölner Studierendenvertreter die Steuer nun zu Fall bringen. Sie finden die Abgabe sozial ungerecht – betroffen seien vor allem Studierende, die ihren Hauptwohnsitz im Elternhaus haben.
Die Klage gegen die Zweitwohnungssteuer, die durchschnittlich zehn Prozent der Nettokaltmiete beträgt, wird derzeit vom AStA der Fachhochschule Köln und der Alternativen Liste der Uni Köln vorbereitet. Die Studis verweisen auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg, das derzeit in zweiter Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg verhandelt wird. Das Gericht hatte im Februar einer Studentin Recht gegeben, die gegen die Zweitwohnungssteuer geklagt hatte (Az 5 A 118/04). Da sie noch bei ihrer Mutter wohne, habe die Studentin gar keine Erstwohnung, urteilte das Gericht. Außerdem dürfe der zweite Wohnsitz nur bei denen besteuert werden, die wirtschaftlich leistungsfähig seien. Das aber sei bei Studierenden in der Regel nicht der Fall.
“Wir haben von Anfang an gesagt, dass die Zweitwohnungssteuer unrechtmäßig ist”, sagt Markus Struben (AL). Die Studierenden schlagen als Ersatz ein Bonussystem vor: Wer sich mit Erstwohnsitz meldet, bekommt Gutscheine für städtische Einrichtungen. “Das ist kostengünstig und Werbung für die Stadt”, wirbt Dominik Düber von der Juso-Hochschulgruppe.
Dadurch komme auch mehr Geld in die städtischen Kassen, rechnet Ratsherr Jörg Detjen von der Linkspartei vor, die die Studierenden unterstützt. Er verweist auf Schätzungen der Stadt Köln, wonach durch die Zweitwohnungssteuer im Schnitt 300 Euro pro Person und Jahr eingenommen würden. Für jeden Bürger mit Erstwohnsitz bekomme die Stadt dagegen 900 Euro. “Die Verwaltung sollte sich darauf konzentrieren, die Menschen für den Erstwohnsitz zu gewinnen”, rät Detjen.
Bei den Kommunen in Nordrhein-Westfalen, die die Zweitwohnungssteuer erheben, erfreut sich die Abgabe indes weiterhin großer Beliebtheit. Städte wie Aachen, Essen oder Bielefeld, die seit 2003, 2000 und 2003 den Zweitwohnsitz besteuern, verzeichnen Einnahmen von 440.000, 600.000 beziehungsweise 380.000 Euro im Jahr. “Wir können darauf gar nicht verzichten”, heißt es in Aachen aus der Stadtverwaltung mit Blick auf die leeren Kassen.
Zwar haben die Kommunen durch die Steuer auch Kosten – sie müssen alle mit Zweitwohnsitz gemeldeten Bürger anschreiben, um festzustellen, wer steuerpflichtig ist. Essen und Bielefeld geben deswegen 200.000 Euro für Stellen und Nebenkosten aus – aber: “Unter dem Strich bringt die Steuer was”, sagt Essens Kämmerer Marius Nieland. Denn zur Zweitwohnungssteuer kommen in seiner Stadt noch Landeszuweisungen von 3,76 Millionen Euro für geschätzte 5.000 Menschen, die lieber ihren Erstwohnsitz in Essen genommen haben, als die Zweitwohnungssteuer zu bezahlen. In Bielefeld sind es geschätzte zusätzliche 3.800 Menschen, die mit ihrem Erstwohnsitz der Stadt mindestens 2,5 Millionen Euro bescheren.
Auch in Köln, wo die Steuer erst 2004 beschlossen wurde, erwartet die Verwaltung Einnahmen in Millionenhöhe. Die Stadt rechnet mit 6.500 Steuerpflichtigen und Einnahmen von fast zwei Millionen Euro. Hinzu sollen 5,9 Millionen Euro mehr Schlüsselzuweisungen kommen. Das sei eine “eher vorsichtige Schätzung”, heißt es dazu aus der Stadtverwaltung.
Keine Angst haben die NRW-Kommunen übrigens vor dem Urteil aus Lüneburg, auf das sich die Studierendenvertreter und -politiker berufen. Niedersachsen definiere den Wohnungsbegriff anders, heißt es unisono aus Aachen, Bielefeld und Essen. Toilette, Küche und Bad seien dort Voraussetzung, um von einer Wohnung zu sprechen, während hierzulande schon ein geschlossener Raum als Wohnung gelten könne. “Wir haben keine Bedenken wegen der Rechtmäßigkeit der Zweitwohnungssteuer”, bekräftigt Essens Kämmerer Marius Nieland.
Autor: DIRK ECKERT