taz nrw, 10.08.2005, S. 2
Köln taz nrw
Merkel kommt! Und wer protestiert? Die FDP. Ausgerechnet der bevorzugte Koalitionspartner der Union wettert gegen die Wahlkampfveranstaltung der CDU mit Parteichefin Angela Merkel heute Abend auf dem Roncalliplatz in Köln, direkt im Schatten des Doms.
Die FDP wirft der CDU “Selbstbedienungsmentalität” und “Doppelmoral” vor. Die Christdemokraten seien gegen alle Veranstaltungen auf dem Domvorplatz “außer Gottesdiensten, klassischen Konzerten und dem Weihnachtsmarkt”, nutzten dann aber die Domkulisse für eigene Interessen, klagt FDP-Fraktionschef Ralph Sterck.
Wer wann auf den Roncalliplatz darf, ist in Köln ein Dauerstreit. Immer wieder haben Veranstalter geklagt, die nicht zugelassen wurden, weil sie den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt sahen. So wurde 2003 ein Vergabekonzept beschlossen, nach dem die Stadt etwa die Karnevalskirmes und das “Domspringen”, ein Stabhochsprungwettbewerb, nicht mehr genehmigte. “Wir haben keine andere Wahl, sonst könnten sich die Veranstalter von sämtlichen Volksbelustigungen einklagen”, so Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU). Die Rockband R.E.M. durfte hingegen auftreten, ebenso die “Söhne Mannheims” – beide gelten als Kultur. Die Entscheidung darüber sei manchmal schwierig, räumt man auch beim Ordnungsamt ein.
Dass kommerzielle Veranstaltungen wie die Kirmes nicht zugelassen sind, politische Veranstaltungen aber schon, wurmt die FDP besonders. “Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich Rechts- und Linksextreme mit Hinweis auf den Gleichheitsgrundsatz auf den Roncalliplatz einklagen werden”, behauptet Sterck.
“Die FDP vergisst, dass die CDU beim Polizeipräsidenten eine Versammlung angemeldet hat”, kommentiert der Leiter des Kölner Ordnungsamtes, Robert Kilp, die FDP-Kritik an der Wahlveranstaltung. Für diese gelte das Versammlungsgesetz, nicht das Vergabekonzept.
Tatsächlich sind politische Demonstrationen auf dem Roncalliplatz längst möglich. Zuletzt fanden dort unter anderem Montagsdemos, Proteste gegen den Irak-Krieg und gegen Studiengebühren statt. Offenbar hat die FDP in ihrem Einsatz für Wirtschaftsinteressen die Bürgerrechte vergessen. Zu denen gehört auch das Recht, sich politisch zu betätigen und Versammlungen abzuhalten.
Autor: DIRK ECKERT