Hoffnungsschimmer für den Haushalt

Morgen wird im Bundestag die Gewerbesteuer reformiert, um die Kommunen um drei Milliarden zu entlasten. Die Gewerbesteuer anheben will Köln aber nicht. Das freut die IHK, der Stadt gehen dabei Millionen verloren

taz köln, 16.10.2003, Nr. 154, S. 1

taz köln

Nach dem Kompromiss der rot-grünen Bundesregierung zur Reform der Gewerbesteuer kann Köln jetzt mit steigenden Steuereinnahmen rechnen. In den letzten Jahren sind die Gewerbesteuereinnahmen der Stadt dramatisch gesunken, von 545,8 Millionen Euro im Jahr 2000 auf 430,9 Millionen 2002, was einem Rückgang von 22,2 Prozent entspricht. Die Stadtverwaltung beklagt dieses „Wegbrechen“ der Gewerbesteuer seit langem und macht sie mit für das gewaltige Defizit von über 300 Millionen Euro verantwortlich.

Nach dem neuen Gesetz hätte Köln im Vorjahr etwa 60 Millionen Euro mehr Gewerbesteuer eingenommen: Denn jetzt wird die sogenannte Gewerbesteuerumlage gesenkt, und die Kommunen müssen nur noch 20 Prozent der Gewerbesteuereinnahmen an den Bund abführen statt bisher 30. Hinzu kämen Einnahmen durch die Besteuerung von Freiberuflern wie Ärzte oder Rechtsanwälte – hier ist ein Freibetrag von 25.000 Euro vorgesehen – sowie von Mieten, Zinsen und Leasingraten bei Konzernen, mit der die Einnahmen durch die künftige „Gemeindewirtschaftssteuer“ noch gesteigert werden sollen.

Am morgigen Freitag soll die Reform im Bundestag verabschiedet werden. Das letzte Wort hat allerdings der Bundesrat. Geht es nach Unionsfraktionsvize Friedrich Merz, scheitert die Reform dort. Er hat jedenfalls die unionsregierten Länder aufgefordert, die Gewerbesteuerreform im Bundesrat abzulehnen. Merz lehnt die Besteuerung von Freiberuflern ab, ebenso die von Mieten, Zinsen und Leasingraten. Die CDU in Köln hält davon wenig und steht zu ihrem Oberbürgermeister, der als Präsident des Städtetages gerade die Werbetrommel für die Reform rührt.

Uneingeschränkte Unterstützung bekommen die Kommunen dagegen vom Kölner DGB. „Es ist nicht einzusehen, warum der Handwerksmeister zahlen soll, aber die Rechtanwaltskanzlei Bietmann nicht“, begrüßt der Vorsitzende Wolfgang Uellenberg-van Dawen die geplante Besteuerung von Freiberuflern. „Gut verdienende Freiberufler profitieren von der städtischen Infrastruktur.“ PDS-Ratsherr Jörg Detjen sieht das ähnlich: „Ärzte sind auch nur Handwerker – warum sollen sie dann keine Gewerbesteuer zahlen?“ Zudem sei die Befreiung von Ärzten und Anwälten von der Gewerbesteuer von den Nazis eingeführt worden, gibt er zu bedenken.

Noch mehr könnte die Stadt allerdings mit der Gewerbesteuer einnehmen, würde sie den seit 1988 nicht mehr geänderten Gewerbesteuer-Hebesatz von 450 auf 470 Prozent erhöhen. Detjen rechnet vor, dass diese „moderate“ Erhöhung 20 Millionen Euro pro Jahr einbringen würde. Regierungspräsident Jürgen Roters geht sogar von Mehreinnahmen von über 25 Millionen aus, insgesamt könnte die Stadt in den nächsten vier Jahren „nahezu 115 Millionen Euro“ einnehmen, sagte Roters bei der Genehmigung des Kölner Haushalts am 1. Oktober.

Doch damit stehen PDS und Roters allein auf weiter Flur. Alle anderen Ratsparteien wie auch der DGB lehnen eine Gewerbesteuererhöhung ab. Sehr zur Freude der Kölner Industrie und Handelskammer (IHK): „Steuererhöhungen bewirken genau das Gegenteil; sie bringen nur scheinbare Mehreinnahmen und schrecken ansiedlungswillige Unternehmen ab“, schreibt sie in ihrem Positionspapier „Anforderungen der Wirtschaft an die Zukunft der Stadt“. Darin begrüßt die IHK nicht nur den niedrigen Gewerbesteuersatz, sondern fordert auch weitere „Veräußerung von Vermögen und Vermögensbeteiligungen“, um „wünschenswerte und notwendige Investitionen“ zu finanzieren. PDS-Ratsherr Detjen zeigte sich entsetzt: „Die IHK will die Zerschlagung der kommunalen Selbstverwaltung.“


Autor: Dirk Eckert