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Das Tax Justice Network und das Netzwerk Steuergerechtigkeit haben gerade ihren neuen Schattenfinanzindex veröffentlicht. Trotz aller Enthüllungen, etwa der Panama Papers, ist das Geschäft mit Geldwäsche längst nicht trockengelegt, sagt Markus Meinzer, TJN-Vorstandsmitglied und Finanz- und Steueranalyst.
Wo sind aktuell die größten Steueroasen?
Markus Meinzer: Die Top Ten wird nach wie vor angeführt von der Schweiz. Neu auf Nummer 2 sind die USA, auf 3 die Kaimaninseln, auf 4 Hongkong, Singapur und Luxemburg auf 5 und 6 und Deutschland Nummer 7. Taiwan ist ein Neuzugang auf Rang 8. Und dann kommen die Vereinigten Arabischen Emirate/Dubai und auf Rang 10 Guernsey.
Was hat Sie dabei am meisten überrascht?
Markus Meinzer: Überraschend war, dass Taiwan direkt so hoch einsteigt. Taiwan ist ein Sonderfall in der Internationalen Politik, weil es wegen des Konflikts mit China in vielen Internationalen Organisationen nicht Mitglied ist und auch aus vielen Statistiken rausfällt. Bisher hatten wir deshalb wenig Daten über Taiwan und das Land war deshalb nicht im Schattenfinanzindex aufgeführt. Jetzt zeigt sich, dass es ein recht großes Schattenfinanzzentrum beherbergt. Eine anderes Problem ist Großbritannien: Rechnet man die Kaimaninseln auf Rang 3 und Guernsey auf Rang 10 sowie die anderen Überseegebieten dazu, dann würde Großbritannien nach wie vor auf Rang 1 des Schattenfinanzindexes stehen. London ist die Mitte eine Netzes von Schattenfinanzzentren, die Fäden laufen in London zusammen. Dort liegt deshalb auch die politische Verantwortung dafür.
Die Nummer 1, die Schweiz, hat doch in den vergangenen Jahren immer wieder beteuert, kein Hort für illegales Geld mehr sein zu wollen. Ist daraus gar nichts geworden?
Markus Meinzer: Die Schweiz hat immer die internationalen Prozesse zum Informationsaustausch hintertrieben und dafür gesorgt, dass zum Beispiel der internationale Standard nicht verpflichtend multilateral ist – stattdessen können Staaten nach Belieben Rosinen picken, sich also jeden Austauschpartner willkürlich aussuchen. Daran hat sich auch bislang nichts geändert. Die Schweiz hat den automatischen Austausch mit einigen Ländern erst spät begonnen, bei anderen sogar in die Zukunft verschoben. Das ist reine Verzögerungstaktik. Gleichzeitig hat die Schweiz versucht, den Informationsaustausch mit sogenannten korrupten Regimen ganz zu verhindern. Damit schützt sie das Veruntreuen von Geldern im Ausland.
Zur Methodik: Wie haben Sie den Index eigentlich erstellt?
Markus Meinzer: Zum einen schauen wir auf die Intensität der Geheimhaltung. Da messen wir etwa, ob Unternehmen ihre Jahresabschlüsse öffentlich machen müssen, ob sie ihre Eigentümer registrieren müssen, ob diese Eigentümer öffentlich gemacht werden müssen, wie intensiv das Bankgeheimnis ist usw. Zum anderen haben wir eine globale Gewichtung. Das misst den Anteil eines Landes am weltweiten Offshore-Finanzmarkt. Beiden Daten kombinieren wir, um zu ermitteln, welches Land den größten Beitrag zum Schattenfinanzsystem liefert.
Warum ermitteln Sie nicht einfach das intransparenteste Land?
Markus Meinzer: Es genügt nicht, allein auf die Geheimhaltung zu schauen. Vanuatu, ein Inselstat im Südpazifik, etwa ist das intrasparenteste Land auf unserer Liste. Aber selbst wenn Vanuatu vollkommen transparent würde, hätte das weltweit kaum Wirkung, denn es hat nur einen kleinen Anteil am globalen Offshore-Finanzmarkt. Die Schweiz ist dagegen etwas transparenter als Vanuatu, aber wenn das Land morgen komplett transparent würde, hätte das eine gigantische Wirkung. Die Top Ten sind verantwortlich für 58 Prozent der gesamten weltweiten Offshore-Finanzdienstleistungen. Wenn sich diese Länder reformieren würden, hätten wir schlagartig eine enorme Verbesserung erreicht.
Aber nehmen wir mal die Nummer 2 der Liste, die USA. Die sind, was die Transparenz angeht, relativ gut, auf einem Level mit Deutschland. Da ihr Marktanteil aber so hoch ist, landen sie auf Platz 2 Ihrer Negativliste. Man könnte das auch umgekehrt sehen: Wenn die USA relativ transparent sind und einen hohen Marktanteil haben, dann ist das doch gut für die weltweite Steuergerechtigkeit.
Markus Meinzer: Naja, 60 Prozent Geheimhaltung heißt, dass es noch 60 Prozent Verbesserungsbedarf gibt. Auf einer Schulnotenskala ist das eine fünf. Das ist mangelhaft. Die USA haben sich als weltweiter Schwarzgeldmagnet etabliert, weil sie am automatischen Informationsaustausch nicht teilnehmen. Damit ziehen sie immer mehr illegale Gelder aus aller Welt an. Um dann im Ranking wenigstens gleich zu bleiben, müssten sie transparenter werden.
Was sagt denn der diesjährige Schattenfinanzindex insgesamt aus, wie weit ist der Kampf gegen Steueroasen?
Markus Meinzer: Wir haben in den vergangenen Jahren gesehen, wie Tief der Sumpf des Schattenfinanzsystems ist. Der Index zeigt, wo Reformen nötig sind. Ob das Gesamtproblem der Offshore-Finanzgeschäfte größer wird, lässt sich an diesem Index nicht ablesen, das geben die Zahlen nicht her. Allerdings wächst der Offshore-Finanzmarkt stetig im Gesamtvolumen.
Folgt man der EU, ist doch alles in Ordnung. Gerade wurden Länder wie Panama von der Schwarzen Liste der Steueroasen gestrichen.
Markus Meinzer: Der Ansatz mit den Schwarzen Listen ist von Grund auf falsch. Das sind nicht objektiv verifizierbare Zahlen, sondern politisch motivierte Listen. Die USA und EU-Staaten wurden von vorneherein nicht einbezogen. Insofern kann man diese Liste ohnehin nicht ernst nehmen.
Was mussten Länder wie Panama eigentlich machen, um von der Schwarzen Liste gestrichen zu werden?
Markus Meinzer: Sie mussten nur eine Absichtserklärung abgeben, dass sie Reformen einleiten. Mehr nicht.
In Deutschland wird gerade eine neue Regierung gebildet. Was fordern Sie von der neuen Koalition?
Markus Meinzer: Die Bundesregierung könnte sich dafür einsetzen, dass zum Beispiel die Transparenzindikatoren des Schattenfinanzindex im Rahmen einer UN-Konvention weltweiter Standard würden. Konkret müsste Deutschland dringend sein Transparenzregister nachbessern, hier hat das Finanzministerium letzte Legislaturperiode geschlampt und eine europarechtswidrige Hintertür eingebaut – sobald zwei ausländische Briefkastenfirmen zwischen den wahren Eigentümer und die deutsche AG oder GmbH geschaltet werden, greift es nicht mehr. Außerdem gibt es in Deutschland kein öffentlich zugängliches Register über Immobilienbesitz. Das brauchen wir dringend, damit Geldwäsche gestoppt werden kann und sich Kleptokraten nicht länger hier in den Wohnungsmarkt einkaufen können. Ein gewisser Datenschutz ist natürlich notwendig, aber bei Immobilien als Investment, nicht als Erstwohnsitz, sollten die Eigentümer öffentlich gemacht werden. Ein anderer Punkt ist die Intransparenz bei Gerichtsverfahren, wo Urteile bei Steuerstrafverfahren nicht veröffentlicht werden. Einzelne Daten wie Geburtstage könnten natürlich geschwärzt werden, aber dass solche Urteile grundsätzlich nicht öffentlich sind, ist ein Unding.
Haben die Enthüllungen der letzten Jahre wie die Panama Papers eigentlich Veränderungen bewirkt?
Markus Meinzer: Ja, der Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments zu den Panama Papers hat in seinem Abschlussbericht wirklich starke Empfehlungen gegeben. Vieles, was wir mit dem Schattenfinanzindex fordern, ist dort schon enthalten. Kurz vor Weihnachten wurde in der EU außerdem eine neue, fünfte Geldwäscherichtlinie verabschiedet, die verpflichtend erforderlich macht, dass Eigentümer von Briefkastenfirmen öffentlich einsehbar registriert werden. Es braucht noch mehr Druck gerade bei der Konzerntransparenz, aber Skandale wie die Panama Papers haben sehr viel in Bewegung gesetzt.
Autor: Dirk Eckert
Quelle: http://lagebeschreibung.de/2018/02/02/die-panama-papers-haben-sehr-viel-in-bewegung-gesetzt/