Kein Freibrief mehr für Söldner? Einigung auf Regeln für Private Sicherheits- und Militärfirmen

Streitkräfte und Strategien (NDR Info), 18.10.2008

NDR Radio

Militärdienstleister werden immer wichtiger. Mindestens 1.000 solcher Firmen soll es mittlerweile auf der Welt geben. Über eine Million Menschen arbeiten Expertenschätzungen zufolge für private Militärfirmen. Vor allem der Irak-Krieg hat zu einer rasanten Zunahme von militärischen Dienstleistungen geführt. Im Irak gibt es heute mehr Mitarbeiter von privaten Militärdienstleistern als reguläre Soldaten. Sie verrichten Wachdienste, versorgen die alliierten Soldaten mit Nachschub und kämpfen auch. Buchautor Rolf Uesseler hat sich mit den privaten Militärfirmen beschäftigt. Er weiß, warum Regierungen gerne auf die modernen Söldner zurückgreifen:

O-Ton Rolf Uesseler

„Die Exekutiven in allen Ländern haben natürlich dadurch einen großen Vorteil, wenn sie private Militärfirmen einsetzen: Sie brauchen nie jemanden zu fragen. Sie brauchen sich nicht mit dem Parlament auseinander zu setzen, sie brauchen sich nicht mit der Öffentlichkeit auseinander zu setzen. Sie können also verdecke Operationen machen, ohne dass sie jemanden fragen müssen.“

Im Irak zeigt sich aber auch, dass es nicht unproblematisch ist, reguläre Soldaten durch die Angestellten von privaten Militärfirmen zu ersetzen. So waren Söldner zum Beispiel am Folterskandal von Abu Ghraib beteiligt. Bis heute wurde jedoch kein Angehöriger einer Sicherheitsfirma, die im Irak aktiv war, vor Gericht gestellt. Der Grund: Die irakische Justiz ist nicht zuständig und amerikanische Staatsanwälte fliegen nicht in den Irak, um vor Ort zu ermitteln, etwa wenn es zu einem Massaker an der Zivilbevölkerung gekommen ist. De facto werden die Krieger ohne Uniform nicht gerichtlich belangt.

Doch das soll sich ändern. Die Schweiz hat dazu in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes eigene Vorschläge vorgelegt. In dem so genannten Montreux-Dokument wurden Beispiele erarbeitet, wie Staaten die modernen Söldner besser kontrollieren können. Regierungsvertreter aus siebzehn Nationen, Nichtregierungsorganisationen und Lobbyisten von Militärfirmen waren an der Ausarbeitung der Vorschläge beteiligt.

Das Montreux-Dokument ist nicht verpflichtend. Das Schweizer Außenministerium hofft aber, dass viele Staaten und internationale Organisationen den Text als Anregung nutzen. Denn aus dem Völkerrecht ergäben sich bereits heute Pflichten für die Staaten im Umgang mit privaten Militärfirmen, sagt Daniel Klingele, Sektionschef im Schweizer Außenministerium:

O-Ton Daniel Klingele:

„Staaten sind verpflichtet, insbesondere wenn sie Konfliktparteien sind, aber auch sonst, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten und sich für dessen Einhaltung einzusetzen. Also, wenn jetzt so eine Firma in bewaffneten Konflikten tätig ist, sind die Staaten nicht all ihrer Verpflichtungen entbunden, wenn sie solche Firmen engagieren. Und das humanitäre Völkerrecht richtet sich nicht nur an Staaten, sondern auch Individuen haben Verpflichtungen. Und wenn solche Angestellte solcher Firmen in einem bewaffneten Konflikt tätig sind, dann sind auch sie an diese Verpflichtungen gebunden.“

Vor allem müssen Staaten, die Militärdienstleister verpflichten, Verletzungen des humanitären Völkerrechts durch solche Firmen verhindern. Das gleiche gilt für die Herkunftsländer dieser Firmen und für die Staaten, in denen sie tätig sind. In vielen Ländern fehlen aber entsprechende nationale Gesetze und Regelungen. Das Montreux-Dokument macht eine Reihe von Vorschlägen, wie die Militärdienstleister effektiv kontrolliert werden können.

So sollten sich Staaten, die private Militärdienstleister beauftragen, schon bei der Auftragsvergabe die interessierten Firmen genau anschauen. Dabei wäre zum Beispiel darauf zu achten, wie die Firma in der Vergangenheit gearbeitet hat. Liegen vielleicht Anschuldigungen wegen Verletzung des humanitären Völkerrechts oder anderer Verbrechen vor? Weiter könnte überprüft werden, ob die Firma ordentlich arbeitet, also ob die Buchführung stimmt, das Unternehmen und sein Personal alle nötigen Lizenzierungen hat und ob vor allem die Waffen auf legalem Wege beschafft wurden.

Außerdem muss sichergestellt sein, dass die Angestellten gut auf ihren Einsatz vorbereitet werden. Dazu müssen sie sich im Völkerrecht auskennen und über Landeskenntnisse verfügen. Außerdem hat ein privater Militärdienstleister als Arbeitgeber auch Verpflichtungen gegenüber seinen Angestellten. Zu prüfen wäre beispielsweise, ob diese angemessen bezahlt werden, ob sich der Arbeitgeber um ihre Sicherheit kümmert und ob überhaupt die Arbeitsverträge in einer Sprache geschrieben sind, die die Söldner verstehen können. Daniel Klingele vom Berner Außenministerium:

O-Ton Daniel Klingele:

„Natürlich, die Überwachung liegt auch bei dem Staat. Also zum Beispiel ein Staat, der eine solche Firma engagiert, kann in einem Vertrag vorsehen, wie die Firma zum Beispiel Bericht erstatten muss an den Staat selber, wenn etwas vorkommt, wenn irgendetwas geschieht, oder eben in dem Vertrag verlangen, dass sobald irgendein Zwischenfall geschieht, die Firma eine eigene Untersuchung selber durchführen muss. Und dass sie auch die Ergebnisse den zuständigen Behörden mitteilen muss, in dem Land, in dem sie sich befindet, oder dem Vertragsstaat gegenüber.“

Aber nicht nur der beauftragende Staat sollte sich genau überlegen, welche privaten Militärdienstleister er anheuert. Im Montreux-Dokument wird vorgeschlagen, dass auch die Zielstaaten die Sicherheitsfirmen überprüfen und gegebenenfalls nicht einreisen lassen sollten. Die Kriterien wären dieselben, die auch beim Anheuern der Söldner angewendet werden sollten. Und zuletzt haben auch die Länder, in denen Militärdienstleister ihren Sitz haben, eine Verantwortung für deren Kontrolle. Rüstungsexperte Rolf Uesseler fordert, militärische Dienstleistungen so zu behandeln wie alle anderen Rüstungsgeschäfte auch: Wer solche Dienste im Ausland anbieten will, bräuchte dann eine entsprechende Exportgenehmigung.

Wie sich die modernen Söldner im Einsatz tatsächlich verhalten, lässt sich aber durch die strengere Auswahl der Firmen nicht kontrollieren. In den USA zum Beispiel, die das Montreux-Dokument mitverfasst haben, gibt es bereits heute zahlreiche Gesetze zu privaten Sicherheitsdienstleistern. Es sind aber gerade amerikanische Firmen wie Blackwater, denen im Irak Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Deswegen sei es grundsätzlich fragwürdig, Soldaten durch Söldner zu ersetzen, sagt Rolf Uesseler. Wenn doch, dann müssten Militärfirmen in Kriegsgebieten wie dem Irak grundsätzlich der militärischen Befehlskette unterstellt werden, damit das Militär die Kontrolle habe:

O-Ton Rolf Uesseler

„Wenn man sie einsetzen will, dann würde das halt eben vernünftig sein, sie der militärischen Kette zu unterstellen. Dann wären sie sozusagen Hilfseinheiten, die in der militärischen Kette da sind. Und da für das Militär sehr strenge Regeln festgelegt sind, hätte man dann eine echte Kontrolle darüber.“

Das setzt allerdings voraus, dass überhaupt Militärs vor Ort sind. Ansonsten bleibt nur die Möglichkeit, bei der Auswahl der Firma sorgfältig vorzugehen – im Sinne der Schweizer Initiative. Hier könnte sich in nächster Zeit einiges tun: Offenbar erkennen immer mehr Staaten, dass es nötig ist, Militärdienstleister besser zu kontrollieren. Der Europarat zum Beispiel arbeitet zurzeit an entsprechenden Regeln, die im Januar verabschiedet werden sollen.


Autor: Dirk Eckert

MP3: http://195.185.185.83/ndr/mp3/podcast/ndrinfo_streitkraefteundstrategien/20081018_ndrinfo_streitkraefte.mp3